Aktuelles

Aufklärung zum Thema Pädophilie ist schwer. Nicht nur, dass es für pädophile Menschen mit einem nicht einschätzbaren Risiko verbunden ist, sich zu outen und öffentlich über die eigenen Erfahrungen zu sprechen – oft ist es auch schlicht so, dass die Öffentlichkeit nichts über das Thema wissen will.

Diese Erfahrung musste auch Georg zweimal machen, als er bei zwei Gelegenheiten versuchte, sich für Aufklärung zu engagieren. Bereits im Februar versuchte er, bei einer Veranstaltung für Toleranz einen Informationsstand zu betreiben und verteilte unter anderem Flyer von Wir sind auch Menschen, und erhielt am Ende einen Platzverweis von den Veranstaltern. Zuletzt versuchte er, auf einem Stadtfest in Spenge einen Informationsstand aufzubauen. Dieser außerordentliche Mut wurde auch hier mit Enttäuschung quittiert, und sein Antrag von der Stadt abgelehnt.

Ein Bericht der Lokalzeitung Neue Westfälische (Paywall) offenbart nun einige Hintergründe der Entscheidung. So wird der Spengener Bürgermeister Bernd Dumcke mit den Worten zitiert, das Thema Pädophilie sei „zu schwer für die Gesellschaft“ und „tendenziell nicht vermittelbar“.

Diese Entscheidung wirft einige Fragen auf. Die alltägliche Flut stigmatisierender Botschaften und Medienberichte gegen Pädophile zeigt, dass das Thema offenbar nicht zu schwer ist, solange dabei die gängigen Vorurteile bestätigt werden. Werden diese Vorurteile aber durch sachlich korrekte Aufklärung infrage gestellt, die etwa auf die Differenzierung von Pädophilie und Missbrauch hinweist, scheint dies nicht mehr zumutbar zu sein. Merkwürdig ist auch die Rolle des Bürgermeisters, der sich scheinbar in der Rolle sieht, kollektiv für alle Bürger:innen zu entscheiden, was „zu schwer“ für sie ist, anstatt das Informationsangebot zu ermöglichen und die Menschen selbstbestimmt entscheiden zu lassen, ob sie sich informieren lassen wollen.

Am Ende ist der Vorfall ein weiteres trauriges Beispiel dafür, wie pädophile Menschen aus gesellschaftlicher Partizipation ausgegrenzt werden und zum Schweigen gebracht werden, wenn sie sich selbstbestimmt dafür einsetzen, wahrgenommen zu werden und dabei den verbreiteten Vorurteilen und Stereotypen nicht entsprechen.


ARTE hat kürzlich eine Dokumentation zum Thema Kindesmissbrauch veröffentlicht. In dieser will der Sender sich mit den Gefahren des Internets für Kinder und Jugendliche, wie etwa Grooming und der Verbreitung von Kinderpornographie, befassen.

Die Dokumentation zeichnet sich dabei vor allem durch die reißerische Aufmachung, fehlende Differenzierung, falsche bzw. irreführende Begriffsverwendung und das Fehlen wirklicher Lösungsvorschläge aus. Stattdessen wird die Chatkontrolle unkritisch beworben und deren Risiken ignoriert oder heruntergespielt.

Rubricappula und Regenbogenfisch haben sich in einem lesenswerten Blogbeitrag näher mit der Dokumentation auseinandergesetzt und sind dabei auch der Frage nachgegangen, welche Gründe es für das große Interesse ARTE’s an der Chatkontrolle gibt und welche Rolle dabei die Produktionsfirma Memento Distribution spielt.


Die Nominierung wollten wir uns zum Anlass nehmen, noch einmal auf den Podcast aufmerksam zu machen. Wir haben zum damaligen Zeitpunkt eine News dazu verfasst, die man hier nachlesen kann.

Nicht enthalten war der Hinweis, dass Sirius und Rubricappula aus unserem Team sich bei Donau 3 FM gemeldet und es dadurch zu einem kleinen Gastauftritt in eine spätere Podcastfolge geschafft haben. Diesen kann man sich aktuell z.B auch auf YouTube noch anhören.


Vergangenen Dienstag lief im RTL-Magazin EXTRA eine Reportage mit dem reißerischen Titel „Wie Pädophile Kinderbilder im Netz missbrauchen“. Aufmacher der Reportage war die Beobachtung, dass Kinderbilder, die ursprünglich beispielsweise auf Vereinswebseiten hochgeladen wurden, in einem russischen Bilderforum wiedergefunden werden konnten, wo sie von (vermeintlich) pädophilen Menschen anzüglich kommentiert werden.

Leider hat es RTL nicht geschafft, an das Thema mit dem notwendigen Feingefühl heranzugehen. Stattdessen verfällt die Reportage sehr schnell in eine einseitige emotionalisierte Hetze gegen pädophile Menschen, die, untermalt von bedrohlicher Musik, als widerlich und gefährlich dargestellt werden. Teil der Reportage ist etwa ein „Seminar“ einer Gruppe pädophiler Männer, in die sich ein RTL-Reporter undercover eingeschleust hat. Über die Hintergründe und Ziele dieses Seminars bleibt das meiste allerdings im Unklaren, stattdessen werden einzelne kurze Szenen eines Gedächtnisprotokolls von Schauspielern nachgespielt. Die Szenen werden von der Kamera in extremen Close-ups filmt, um gezielt Abscheu und Ekelgefühle zu wecken.

Besonders kritisch zu bewerten ist außerdem der Umgang mit Georg von Schicksal und Herausforderung e. V., der dem Sender für den Beitrag ein Interview gegeben hat. Aus dem mehrstündigen Interview wurden für die Reportage lediglich wenige kurze Passagen verwendet, die sich vor allem mit seinen weit in der Vergangenheit liegenden Straftaten und konkreten Fragen zu seinen Präferenzen beschäftigten. Auch hier wurden letztere vor allem so inszeniert, dass sie emotionale Abwehrreaktionen provozieren. Gleichzeitig wird weder sein Engagement für die Selbsthilfe erwähnt, noch findet seine Meinung zum eigentlichen Thema der Reportage Platz. Seine Rolle innerhalb des Beitrags ist damit nicht die eines Experten auf Augenhöhe, stattdessen wird er bloßgestellt und seine Expertise durch gezielte Schnitte explizit ausgelöscht. RTL erstellt damit ein Paradebeispiel dafür, wie man für Medienbeiträge nicht mit Pädophilen umgehen sollte.

Auch davon abgesehen gibt es einige Punkte, die wir an der Reportage scharf kritisieren. So werden etwa pädophile Menschen, die sich legale Kinderbilder im Internet ansehen, pauschal als „Täter“ bezeichnet, die Bilder „missbrauchen“. Dies stellt Pädophile, die sich völlig legal verhalten, sprachlich und moralisch auf eine Stufe mit aktiven Missbrauchstätern. Zudem wird zum Schluss fast schon beiläufig ein strafrechtliches Verbot des Äußerns sexueller Fantasien für Pädophile gefordert. Dies wäre ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit pädophiler Menschen und ein großer Schritt in Richtung Gedankenverbrechen. Sexuelle Fantasien müssen – auch für Pädophile – vor strafrechtlicher Verfolgung unbedingt geschützt bleiben. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit eines solchen Verbots noch nicht einmal aus der Reportage selber, da alle Bilder, die unrechtmäßig weiterverbreitet worden waren auch ohne weitere Verbote erfolgreich von der Bilderplattform entfernt werden konnten.

Dies ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass RTL einen problematischen Beitrag zu dem Themenbereich veröffentlicht, und bei Pädophilen Unschuldsvermutung und Persönlichkeitsrechte missachtet. Schon 2010 erschien auf dem Tochtersender RTL II die kontroverse Serie „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder!“, in welcher der Sender zusammen mit der umstrittenen Kinderschutzorganisation Innocence in Danger, die auch in der aktuellen Reportage medienwirksam platziert wird, Männer in die Falle lockte, die sexuelle Kontakte zu Minderjährigen suchten. Dabei wurde immer wieder der bedrohlichen wirkende Merksatz „Pädophile lauern überall“ in die Köpfe der Zuschauer gehämmert. Die Sendung wurde unter anderem von der damaligen Justizministerin scharf kritisiert, die dadurch sogar den Rechtsstaat gefährdet sah. 2014 wiederum infiltrierte RTL ein weiteres Treffen einer Pädophilengruppe, und übergab sie ohne konkrete Hinweise auf illegales Verhalten in einer medialen Großaktion der Polizei. Die Teilnehmer wurden wahlweise als Missbrauchstäter oder „Kinderporno-Ring“ bezeichnet – dass schon vor Veröffentlichung des Beitrags sämtliche Ermittlungen von der Polizei eingestellt wurden, ist gezielt verschwiegen worden. Und 2018 hat RTL im Mittagsmagazin Punkt 12 auf unverantwortliche Weise einen vermeintlich pädophilen Menschen gezeigt, was zur lebensgefährlichen Verletzung eines unbeteiligten Mannes durch einen Lynchmob führte.

Der aktuelle Beitrag ist also der neuste Eintrag in einer langen Liste von unethischen und journalistisch fragwürdigen Beiträgen des Senders, die sich mit dem Thema Pädophilie direkt oder indirekt beschäftigen.


Im Angesicht massiver Stigmatisierung ist der einzige Schutz, den pädophile Menschen haben, dass ihre Sexualität nicht offen sichtbar ist. Viele Formen von Diskriminierung laufen dadurch gewissermaßen ins Leere: wenn man Pädophile nicht erkennen kann, ist es auch nicht möglich, Pädophile gezielt aus gesellschaftlichen Bereichen auszuschließen.

Es gibt Forscher:innen, die aktiv daran arbeiten, dies zu ändern. In einem kürzlich veröffentlichten Interview in der WELT (Paywall) erzählt Sozial- und Rechtspsychologieprofessor Rainer Banse von Screening-Verfahren, die er mit seinem Team entwickelt hat, um pädophile Menschen auch dann zu erkennen, wenn sie sich nicht selbst zu erkennen geben wollen. Diese Verfahren sollen verwendet werden, um pädophile Menschen gezielt aus Bewerbungsverfahren für Berufe mit Kindern auszusieben.

Banse selbst gibt zu, dass diese Tests signifikante Fehlerraten haben: 25 % der Menschen, die als gefährlich markiert wurden, waren nicht übergriffig, und gleichzeitig ist jeder vierte Mensch, der als unbedenklich eingestuft wurde dennoch übergriffig geworden.

Trotzdem soll es mindestens eine (nicht näher benannte) Organisation geben, die mit Banse zusammenarbeitet, um mit seinen Tests im Bewerbungsprozess vermeintlich pädophile Kandidaten1 auszufiltern. Bewerber, denen aufgrund eines positiven Testergebnisses kein Jobangebot gemacht wird, werden über ihr Testergebnis nicht informiert. Weder Banse noch die WELT-Autorin Nike Heinen äußert dabei ethische Bedenken.

Testverfahren zur Erkennung der sexuellen Orientierung eines Menschen, um ihn damit gezielt aus Berufen auszuschließen, sind eine massive und invasive Form von Diskriminierung. Auch pädophile Menschen sind nicht prädestiniert dazu, Kinder zu missbrauchen, und gleichzeitig sind die meisten Missbrauchstäter:innen nicht pädophil (was Banse selber auch anmerkt). Pädophile Menschen pauschal aus Berufen mit Kindern ausschließen zu wollen ist also nicht nur diskriminierend, sondern würde noch nicht einmal den meisten Kindesmissbrauch stoppen.

Banse selber erklärt in dem Interview, dass Pädophile in der gesellschaftlichen Rangordnung „ganz unten“ stehen. Umso unverständlicher ist es, dass er aktiv an Methoden forscht, die Pädophile noch vulnerabler gegen Diskriminierung und Marginalisierung machen. Es existiert schließlich ein großes öffentliches Interesse daran, pädophile Menschen zu identifizieren, um ihnen gesellschaftliche Partizipation zu verweigern und sie aus sozialen Bereichen auszuschließen – und solche Tests haben das Potenzial, dies tatsächlich realisierbar zu machen.

Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass es bei der Verwendung in Bewerbungsverfahren bleiben wird. Banse diskutiert etwa auch die Anwendung seiner Tests zum Ausschluss von Menschen aus bestimmten ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es ist denkbar, dass Pädophile am Ende aus allen Bereichen ausgeschlossen werden, in denen Kinder präsent sein können – also fast allen. Dadurch werden Pädophile noch mehr marginalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Gleichzeitig steigt die Gefahr für Hasskriminalität und Gewalt gegen Pädophile, wenn diese unfreiwillig identifiziert werden können.

Umso wichtiger ist es, dass sich Forscher:innen dieser Risiken bewusst sind und sie in ihrer Arbeit berücksichtigen.


  1. Banse spricht in dem Interview nur von Männern, bei denen die Tests angewendet werden. 


Wie angekündigt wurde am Donnerstag die fast 900 Seiten umfassende ForuM-Studie zu Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirche veröffentlicht.

In der ganzen Studie wird das Thema Pädophilie fast gar nicht erwähnt. Dies ist erfreulich und zeigt, dass den Autor:innen eine saubere Differenzierung zwischen Missbrauch und Pädophilie weitestgehend gelungen ist.

Ein Teilprojekt von Dr. Safiye Tozdan und Prof. Peer Briken vom UKE Hamburg sah vor, durch Interviews mit Beschuldigten unter anderen auch den Anteil Pädophiler unter den Täter:innen abzuschätzen. Diese Analyse konnte mangels Teilnehmer:innen allerdings am Ende nicht durchgeführt werden. In einem anderen Teilprojekt wurden Akten von Beschuldigten analysiert, mit dem Ergebnis, dass lediglich bei etwa 5 % ein Hinweis auf eine Pädophilie gefunden werden konnte. Da psychologische Untersuchungen allerdings nur bei einem sehr geringen Anteil der Beschuldigten durchgeführt wurden, lässt sich daraus nicht ableiten, wie hoch der Anteil Pädophiler insgesamt war.

Auch die Reaktionen und die mediale Berichterstattung verzichtete größtenteils darauf, die Täter:innen als Pädophile zu bezeichnen. Dies ist durchaus bemerkenswert, da bei ähnlichen Studien in der katholischen Kirche auch in seriösen Medien Erzählungen von „pädophilen Priestern“ weit verbreitet sind. Eine Ausnahme bildet lediglich der Landesbischof von Braunschweig Dr. Christoph Meyns, der in einer Stellungnahme versuchte sich mit der Aussage zu rechtfertigen, dass „Kindesmissbrauch oder Pädophilie […] die absolute Ausnahme unter den bisher bekannt gewordenen Fällen“ seien, und damit Pädophilie mit Missbrauch gleichsetzte. Die Stellungnahme wurde vom evangelischen Pressedienst wörtlich übernommen, und landete dadurch unter anderem bei der Welt, der Süddeutschen und der FAZ.

Ob unsere Präventionskampagne auch einen Anteil daran hatte, dass der Großteil der Berichterstattung nicht gegen Pädophile stigmatisiert hat, lässt sich leider nicht sagen. Wir wissen von mehreren Teilnehmer:innen, dass im Rahmen der Aktionswoche insgesamt Dutzende Pressestellen angeschrieben wurden, soweit wir wissen sind aber alle Anfragen unbeantwortet geblieben.


Am 25. Januar wird eine Studie zu Missbrauchsfällen in der Evangelischen Kirche erscheinen. Dabei wird es auch um den kontroversen Sexualwissenschaftler Helmut Kentler gehen, der in Verbindung zu diversen historischen Aktivistengruppen steht, die Sex mit Kindern legalisieren wollten und dabei teils signifikanten gesellschaftlichen Einfluss erlangt haben. Das bedeutet leider auch, dass voraussichtlich viele Medienberichte veröffentlicht werden, die Missbrauch mit Pädophilie gleichsetzen. In der Vergangenheit wurde in der Berichterstattung zu dem Thema oft jedem pädophilen Menschen unterstellt, die Legalisierung von Kindesmissbrauch erreichen zu wollen.

Um zu zeigen, dass dies eben nicht auf alle pädophile Menschen zutrifft, wollen wir eine mediale Aufklärungsaktion starten. Dafür brauchen wir möglichst viele Menschen, die bereit sind sich zu beteiligen, mit Kommentaren, Leser:innenbriefen und Stellungnahmen zu Wort melden und zeigen, dass bei weitem nicht alle Pädophile missbrauchsverharmlosende Ideologien unterstützen. Zur Unterstützung haben wir einen Textvorschlag erstellt, den wir zusammen mit weiteren Informationen auf unserer Kampagnenseite zur Verfügung stellen.

Beteiligen könnt ihr euch auch im Fediverse unter dem Hashtag #WirSindNichtKentler. Außerdem wird es am Tag der Veröffentlichung der Studie eine Sondersitzung des Chats p-punkte.de geben, um sich über die Ergebnisse auszutauschen und gegebenenfalls weitere Ideen zu sammeln (vorige Anmeldung erforderlich). Wir werden während der Aktion selber laufend über unseren Mastodon-Account @wsam@paravielfalt.zone berichten.


In Hessen kam es vor einigen Tagen zu Durchsuchungen von 53 Wohnungen durch die Polizei, bei denen aufgrund des Verdachts des Besitzes von Kinderpornografie insgesamt 540 Datenträger beschlagnahmt wurden. Fünf Personen wird auch sexueller Kindesmissbrauch vorgeworfen. Bei einer Person wurde hierbei zudem eine Sexpuppe mit kindlichem Erscheinungsbild gefunden. Ein Umstand, auf den sich natürlich die BILD, aber auch diverse anderen Zeitungen sofort gestürzt haben. In Überschriften von entsprechenden Artikeln heißt es unter anderem „Kindersexpuppe bei hessenweiter Razzia sichergestellt“ oder „Polizei findet Kinder-Sexpuppe bei Pädophilem“. Wir erinnern uns nochmal, eine Kindersexpuppe ist ein reines Objekt ohne menschliche Empfindungen. Es wird der Eindruck erweckt, nicht Besitz/Verbreitung von Kinderpornografie oder sexueller Kindesmissbrauch (Dinge, die tatsächlich Kindern schaden) werden hier als schlimm angesehen, sondern vielmehr die sexuelle Neigung zu Kindern, hier repräsentiert durch die erwähnte Sexpuppe. Es scheint zudem, als sollte durch das Hervorheben dieses einen Falls, bei dem ein (mutmaßlicher) Straftäter eine solche Puppe besessen hat, auch das Verbot jener Puppen nachträglich rechtfertigt werden. Allerdings handelt es sich hierbei um einen Einzelfall, der nichts darüber aussagt, ob die fragliche Personwegen dieser Puppe straffällig wurde und vielleicht im Gegenteil trotz dieser.


Nach langem Zögern hat das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann einen Vorschlag für eine Minderung der Mindeststrafen bei Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie vorgeschlagen. Unter dem Motto „Verbrechen statt Vergehen“ wurden zuvor die Strafmaße von der Vorgängerregierung 2021 im Rahmen einer Gesetzesreform, bei der auch Sexpuppen mit kindlichem Aussehen unter Strafe gestellt wurden, massiv erhöht. Dies führte in der Praxis zu zahlreichen Problemen, insbesondere einer Überlastung der Strafverfolgungsbehörden mit Bagatellfällen, sowie einer zwingenden strafrechtlichen Verfolgung von Menschen, die Taten aufklären wollen und Minderjährigen, die sich einvernehmlich Bilder schicken.

Bereits im Herbst vergangenen Jahres forderten die Landesjustizminister:innen daher eine Entschärfung der Strafbarkeit. Ein Jahr später stellt Buschmann nun einen Gesetzesentwurf vor, der vorsieht, die Mindeststrafen bei Verbreitung auf sechs Monate, und bei Besitz auf drei Monate Haft zu reduzieren und die Straftaten damit von einem Verbrechen wieder zu einem Vergehen herabzustufen. Dies ermöglicht es, in weniger schweren Fällen ein Verfahren einzustellen und von einer Verfolgung abzusehen.

Kritisch ist der Entwurf darin zu bewerten, was als weniger schlimme Fälle bewertet wird. Im Begründungstext steht dazu, dass es um Fälle geht, in denen nicht aus „pädokrimineller Energie“ gehandelt wird, und in denen die Täter:innen „in der Regel nicht pädophil“ sind. Hier wird also eine Unterscheidung zwischen Täter:innen, die pädophil sind („Pädokriminelle“), und solchen, die es nicht sind, getroffen. So begrüßte auch Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann den Gesetzesentwurf, da er es ermöglichen würde, die Ressourcen bei der Strafverfolgung auf Taten „mit nachweislich pädophilem Hintergrund“ zu konzentrieren.

Wenn der Gesetzesentwurf in der jetzigen Fassung beschlossen wird, besteht daher die Gefahr, dass dadurch die Diskriminierung pädophiler Menschen vor dem Gesetz vorangetrieben wird. Gleichheit vor dem Gesetz muss für alle Menschen gelten, es darf nicht sein, dass am Ende pädophile Täter:innen alleine aufgrund ihrer Sexualität für die gleichen Taten härter bestraft werden, als nicht-pädophile Täter:innen.


Im Frühjahr 2021 suchte ein Studienteam um Sara Jahnke nach pädophilen Teilnehmer:innen für ein Forschungsprojekt zu den Themen Eigenbezeichnungen, Erfahrungen mit Therapie und Stigma. Die Studie ist inzwischen abgeschlossen, und das Forschungsteam hat uns einen Bericht der Ergebnisse zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Die wesentlichen Ergebnisse sind unten zusammengefasst, wer Englisch beherrscht kann sich den vollständigen Bericht außerdem hier herunterladen.


1) Die Teilnehmer akzeptierten ein breites Spektrum von Bezeichnungen für sich selbst.

Alle vorgestellten Labels wurden als akzeptabel eingestuft. Einige Bezeichnungen waren beliebter als andere: MAP wurde am höchsten bewertet, gefolgt von pädophil/hebephil. Die Bezeichnungen pädophile/hebephile Person und Person mit Pädophilie/Hebephilie erhielten vergleichsweise niedrige Werte.

2) Das Offenbaren einer sexuellen Neigung zu Kindern gegenüber einem Therapeuten ist nur dann mit besseren Ergebnissen verbunden, wenn der Therapeut unterstützend reagiert.

Von den Teilnehmern mit früheren, nicht obligatorischen (d.h. nicht im Rahmen einer rechtlichen Behandlungsauflage erfolgten) Behandlungserfahrungen hatte etwa ein Drittel ihre sexuelle Neigung gegenüber ihrem Therapeuten nicht offenbart. Die Offenlegung einer sexuellen Neigung zu Kindern war nicht mit besseren oder schlechteren Behandlungsergebnissen verbunden. Allerdings waren die Teilnehmer, die ihre sexuelle Neigung offenlegten, mit der Arbeitsbeziehung zu ihrem Therapeuten zufriedener als diejenigen, die sie nicht offenlegten.

3) Die Beziehung zwischen der Erfahrung der Stigmatisierung und der Motivation, eine Behandlung zu suchen, ist komplex.

Betroffene haben häufig Angst davor, negativ behandelt zu werden, wenn ihr stigmatisiertes Merkmal ans Licht kommt (antizipiertes Stigma). Andere verinnerlichen negative gesellschaftliche Vorstellungen über sich selbst und sehen sich selbst als zutiefst defizitär an (internalisiertes Stigma). Diese Erfahrungen stehen in unterschiedlichem Zusammenhang mit der Motivation, therapeutische Hilfe zu suchen. Einerseits war die verinnerlichte Stigmatisierung mit einer höheren Motivation verbunden, im Bedarfsfall therapeutische Hilfe zu suchen. Andererseits steht die Erwartung, dass Therapeuten bei einer Offenbarung negativ reagieren, in Zusammenhang mit einer geringeren Motivation, Hilfe zu suchen. Eine allgemeine antizipierte Stigmatisierung stand nicht im Zusammenhang mit der Bereitschaft, sich in therapeutische Behandlung zu begeben.