Aktuelles

Vor zwei Wochen veröffentlichte Uwe Kaminsky, Historiker an der Charité Berlin, eine Studie über den Einfluss von Gerold Becker, Hartmut von Hentig und Helmut Kentler auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag. Gerold Becker war langjähriger Schulleiter der Odenwaldschule und gilt als einer der Haupttäter im Missbrauchsskandal um die Schule, ihm wird der Missbrauch von 86 Jungen im Alter von 12 bis 15 Jahren vorgeworfen. Helmut Kentler wiederum war einer der einflussreichsten Vertreter der Pro-Contact-Ideologie, der im Rahmen eines „Experimentes“ mit staatlicher Unterstützung hilfsbedürftige Jugendliche an verurteilte Sexualstraftäter vermittelte.

Beide waren eng mit der evangelischen Kirche und dem Kirchentag verbunden, Becker war sogar Mitglied im Präsidium des Kirchentags. Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass keine Missbrauchstaten im Rahmen des Kirchentages nachweisbar sind, und weder Kentler noch Becker Pro-Contact-Ansichten auf Veranstaltungen, die sie dort hielten, verbreitet haben. Den Veranstaltern des Kirchentages wird dennoch vorgeworfen, sich nicht früh und energisch genug distanziert zu haben, insbesondere dann nicht, als die Missbrauchsvorwürfe gegen Becker bekannt wurden.

Die Aufarbeitung von Missbrauch und der Propagierung missbrauchsverharmlosender Aussagen begrüßen wir grundsätzlich, kritisieren aber scharf die Art, wie diese Aufarbeitung stattfindet. Die Studie von Kaminsky trägt den Titel „Pädophilie im Fokus“ und reduziert die vielschichtigen und komplexen Zusammenhänge damit auf die pauschale Dämonisierung von Pädophilie. Dabei geht es weder bei Kentler noch bei Becker überhaupt um Pädophilie, was Kaminsky im Vorwort selber schon feststellt und den Begriff umdefiniert, um ihn passend zu machen:

Der Begriff Pädophilie findet nachfolgend nicht in einem systematisierenden Sinn im Rahmen der Sexualforschung Verwendung. […] Nachfolgend dient der Begriff vielmehr dazu, eine Sexualpräferenz zu bezeichnen, die sich auf Minderjährige bezieht, die die historisch sich verändernde Schutzaltersgrenze (bei Jungen 18 Jahre, bei Mädchen 14 Jahre) im Strafrecht unterschritten.

Durch solche bewussten Falschverwendungen des Begriffs wird das Thema weiter verwässert, ein präziser Umgang erschwert und pauschal gegen Pädophile diskriminiert – auch solche, die keinen Missbrauch begehen und mit den Ansichten Kentlers nichts anfangen könne, von denen schon rein statistisch sich auch einige im Rahmen des Kirchentages unerkannt engagieren.


In diesem Monat veröffentlichte die US-basierte Organisation B4U-Act ihr Quartalsreview für den Herbst 2024. Dort werden kürzlich publizierte Forschungsarbeiten vorgestellt und von einem Team aus Wissenschaftler:innen, die sich mit Pädophilie und verwandten Themen beschäftigen, kritisch gewürdigt.

In der diesjährigen Herbstausgabe haben sich die Reviewer des Journals fünf Arbeiten angeschaut, die im April bis August dieses Jahres veröffentlicht wurden. Dazu gehörte auch die allererste Studie, die das romantische Empfinden pädophiler Menschen genauer untersucht hat. Dabei wurde deutlich, dass der romantische Aspekt für die meisten der befragten Männer mindestens genauso wichtig war, wie der sexuelle. Ebenso zeigt sich in den thematischen Analysen der Antworten, dass sich das romantische Empfinden pädophiler Menschen im Kern nicht wesentlich von dem teleiophiler Menschen unterscheidet. Dies ist ein weiteres Argument dafür, dass Pädophilie im Grunde als eine sexuelle Orientierung analog zum Beispiel zur Hetero- und Homosexualität betrachtet werden kann.

In einer der Arbeiten untersuchte Rachel Murphy suizidale Tendenzen pädophiler Menschen durch eine Analyse von über 500 Forenbeiträgen im Selbsthilfeforum VirPed. Sie stellte fest, dass vor allem das Stigma, negative Coming-out-Erfahrungen und Zwangsoutings Risikofaktoren für suizidale Tendenzen sind. Nicht selten wurde das Stigma internalisiert und die Betroffenen hatten selber das Gefühl, aufgrund ihrer Sexualität es nicht wert zu sein, zu leben. Schutzfaktoren dagegen waren vor allem positive Coming-outs, Erfahrungen von Akzeptanz und Unterstützung, und Peer-Support. Therapeutische Hilfe war für Betroffene oft schwer zu bekommen und teils sogar eher schädlich, wenn der Therapeut oder die Therapeutin unempathisch oder negativ auf die Pädophilie der Hilfesuchenden reagiert haben.

Ein eher düsteres Bild von Therapien zeichnen auch die restlichen der reviewten Arbeiten. Chronos et al. fanden in einer großen Metastudie heraus, dass viele pädo- und hebephile Menschen in Therapien negative Erfahrungen machen, mit ethisch fragwürdigen Aversionstherapien behandelt und verurteilt oder nicht verstanden werden. Nur wenige finden die Hilfe, die sie suchen, was meist ein Umgang mit Ängsten und Depressionen und dem gesellschaftlichen Stigma ist. Nematy et al. wiederum führten Interviews mit zehn Therapeut:innen, die mit pädophilen Menschen arbeiten, und fanden dort viele stigmatisierende, widersprüchliche und teils auch gefährliche Ansichten vor. Obwohl die meisten der Therapeut:innen zustimmten, dass Pädophilie nicht änderbar sei, versuchten dennoch einige sexuelle Gedanken auf Erwachsene umzulenken oder zu unterdrücken, was erwiesenermaßen zu Scham- und Schuldgefühlen führen kann und psychisch schädlich ist. Haltungen zu Ersatzmaterialien wie Kindersexpuppen waren gemischt, wobei Ablehnungen größtenteils mit „Slippery Slope“-Argumenten begründet wurden, die sich wissenschaftlich nicht halten lassen. Christophersen und Brotto schließlich untersuchten in einer Metastudie, ob sich über Aufklärung und Intervention die Haltungen von Therapeut:innen zu pädophilen Menschen beeinflussen lassen. Im Ergebnis fanden sie heraus, dass sich Vorurteile und stigmatisierende Haltungen zwar durchaus abbauen ließen, die Bereitschaft, mit pädophilen Menschen tatsächlich zu arbeiten aber nur unwesentlich beeinflusst wurde.

Die Reviewer von B4U-Act lobten die grundsätzlich gute Qualität dieser Arbeiten. An vielen Stellen wurde darauf geachtet, zwischen Pädophilie und Missbrauch zu unterscheiden und eine wertschätzende Sprache zu verwenden, die nicht stigmatisierend ist. Gleichzeitig kritisierten sie an mehreren Arbeiten, dass teils durch den Sprachgebrauch Pädophilie und Missbrauch wieder miteinander vermischt wird, etwa wenn von „pädophilen Risikofaktoren“ die Rede ist. Die meisten Studien nennen außerdem die Missbrauchsprävention als wesentliche Motivation für ihre Forschung, auch, wenn es darum eigentlich überhaupt nicht geht, wie etwa in der Forschungsarbeit zur Suizidalität pädophiler Menschen. Dadurch würden stigmatisierende Vorurteile aufrechterhalten, dass Pädophile grundsätzlich gefährlich seien und am Ende Missbrauch und Pädophilie wieder miteinander vermischt.

Die gesamte Ausgabe ist auf Englisch hier verfügbar: https://www.b4uact.org/b4qr/vol4/autumn2024/.


Im Zusammenhang mit der Hasswelle, von der wir in einer früheren News berichtet haben, hat auch der selbsternannte „Pädojäger“ Marvin Ojaghi (Team 404) mehere Videos über uns auf TikTok veröffentlicht, in denen er bewusst Aussagen von uns aus dem Kontext gerissen und zum Teil schlichtweg Lügen über uns verbreitet hat. Auf einige davon ist Sirius in einem eigenen Video auf TikTok eingegangen. Wir halten es für wichtig, eine Gegenperspektive zu der der „Pädojäger“ aufzuzeigen und offenzulegen, mit welchen Methoden diese versuchen, die öffentliche Stimmung gegen Pädophile anzuheizen und ihre eigenen teils kriminellen Handlungen zu verteidigen.


Montagnacht zeigt das ZDF einen Spielfilm über einen pädophilen Jugendlichen. Der Protagonist in „No Dogs Allowed“ ist der fünfzehnjährige Gabo, der feststellt, dass er pädophil ist und einen Umgang damit sucht. Dabei findet er im Darknet den Kontakt zu einem „Mentor“, der ihn durch den schwierigen Prozess des Coming-In begleitet, am Ende aber übergriffig gegenüber Gabo wird.

Bemerkenswert an der Prämisse des Films ist, dass es nicht um einen bereits erwachsenen Menschen, sondern um einen Jugendlichen geht und die Geschichte ein Licht auf die Konflikte und Herausforderungen sowie die besondere Vulnerabilität pädophiler Jugendlicher zu werfen scheint, die ansonsten in der öffentlichen Debatte zum Thema kaum Gehör finden. Der Film basiert laut Regisseur Steve Bach und Drehbuchautor Stephan Kämpf auf der realen Geschichte eines Jugendlichen, mit dem sie während der Recherchen zum Film in Kontakt gekommen sind.

Der Film wird am Montag, 18.11. um 00:04 Uhr im ZDF ausgestrahlt und kann danach ein Jahr lang von 22:00 Uhr - 06:00 Uhr in der ZDF-Mediathek abgerufen werden. Weitere Informationen können vorab der Pressemappe entnommen werden. Unsere Einschätzungen zum Film werden voraussichtlich im Verlauf der nächsten Woche hier und auf Kinder im Herzen zu lesen sein.


Das juristische Fachmagazin Legal Tribune Online veröffentlichte diese Woche einen Gastbeitrag von Nikolai Odebralski, in dem der Rechtsanwalt analysiert, wie sich sogenannte „Pädojäger“ mit ihren Aktionen eventuell selbst strafbar machen.

„Pädojäger“ sind meist Gruppen von Menschen, die versuchen vermeintliche Pädophile aufzuspüren, indem sie sich online als minderjährig ausgeben und Menschen in die Falle locken, die sexuellen Kontakt mit ihrem Lockvogel suchen. Einige dieser Gruppen filmen die Begegnungen und veröffentlichen sie im Internet. Dazu gehört auch die „Einhorncrew“ des Ex-Bundespolizisten Nick Hein, eine „Pädojäger“-Gruppe, auf die sich Odebralski in seiner Analyse hauptsächlich bezieht.

Die Handlungen dieser „Pädojäger“-Gruppen sind laut Odebralski nicht nur rechtsstaatlich problematisch, sondern überschreiten an vielen Stellen wahrscheinlich die Grenze zur Strafbarkeit. Odebralski listet zahlreiche Straftatbestände auf, die „Pädojäger“ mit ihren Handlungen potenziell erfüllen, darunter Straftaten gegen die Unverletzlichkeit des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit sowie Beleidigungsdelikte. Darüber hinaus kann es auch sein, dass sich „Pädojäger“ selber Sexualstraftaten gegen Kinder schuldig machen: etwa, wenn sie im Besitz von Kinderpornografie sind, um damit vermeintlich pädophile Menschen anzulocken. Dies ist in einem Fall in Krefeld passiert. Das Anbieten von Kindern für sexuelle Handlungen wiederum kann auch dann, wenn es nur zum Schein passiert um damit Menschen in eine Falle zu locken, schon den Straftatbestand des sexuellen Kindesmissbrauchs erfüllen.

Auch abseits der Verwirklichung tatsächlicher Straftaten hält Odebralski das Vorgehen der „Pädojäger“ für ungeeignet, um effektiv gegen Kindesmissbrauch vorzugehen, was das erklärte Ziel dieser Gruppen ist: „Dass der Ansatz privater Ermittlungsmaßnahmen nicht geeignet ist, zur nachhaltigen und flächendeckenden Bekämpfung von Missbrauch beizutragen und schon eine solche Konzeption in unserem Rechtsstaat systemwidrig ist, liegt auf der Hand.“ Diese Einschätzung wird unter anderem auch von Kerstin Claus, der unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, geteilt.


31.10.2024

Unter Beschuss

In den letzten Wochen sind wir mehrfach Opfer gezielter Angriffe und einer Welle von Hass geworden. Angefangen hat dies damit, dass unsere Seite auf den Plattformen X, Instagram und TikTok viral gegangen ist, und kurz danach auch von selbsternannten „Pädojägern“ aufgegriffen wurde. Daraufhin erreichte uns über das Kontaktformular und den Fragen-Bereich hunderte von Hasskommentaren, die von Beleidigungen und menschenverachtenden Herabsetzungen bis hin zu direkten Drohungen gegen uns und unsere Familien reichte. Nicht wenige dieser Nachrichten enthielten außerdem rechtsextreme Codes und Botschaften.

Im Vergleich dazu eher amüsant waren einige Nachrichten, die wir von angeblich Minderjährigen erhielten, die unbedingt eine Beziehung zu älteren Erwachsenen suchen.

Dazu kamen Verleugnungen und Falschdarstellungen, die vor allem auf Instagram über die Inhalte der Seite und unsere Ansichten verbreitet wurden. So erreichte uns zum Beispiel ein Video eines bekannten sogenannten „Pädojägers“, der es so darstellte, als würden wir den Kampf gegen Kinderpornografie als Hetze gegen Pädophile bezeichnen. Wer die Meldung vollständig liest, wird leicht erkennen, dass wir die Aussagen von NRW-Innenminister Reul kritisieren, und nicht die Ermittlungen an sich.

Zusätzlich beobachteten wir mehrere technische Angriffe auf unsere Server-Infrastruktur, darunter auch DDoS-Angriffe, die das Ziel hatten, unsere Seite vom Netz zu nehmen. Diese wurden zum Glück weitestgehend von unseren Hoster abgefangen, dennoch kam es durch den massiven Traffic zu Ausfällen, wodurch die Seite zwischenzeitlich nicht erreichbar war.

Diese Welle des ungehemmten Hasses beweist vor allem, wie relevant die Idee hinter dem Projekt ist. Bei vielen der Nachrichten, die wir erhielten, handelt es sich um Straftaten. Rechtliche Schritte werden derzeit von uns geprüft. Auch wenn die Botschaft „Wir sind auch Menschen“ recht banal sein sollte, gibt es tatsächlich viel zu viele Menschen da draußen, die uns noch selbst eine grundsätzliche Menschlichkeit absprechen.


Am Dienstag verkündeten Ermittler:innen aus Duisburg und der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen einen bedeutenden Ermittlungserfolg gegen Kindesmissbrauch im Darknet. Eine der ältesten Kinderpornografie-Plattformen konnte abgeschaltet werden, und mehrere Betreiber in einer Großrazzia in ganz Deutschland festgenommen werden.

Der Erfolg war derart bedeutsam, dass auf der Pressekonferenz auch der NRW-Innenminister Herbert Reul anwesend war. Dort fiel Reul mit einigen stigmatisierende Aussagen gegen Pädophile auf. So bezeichnete er die Plattform als „Forum für Pädophile“, in denen diese ihre „abscheulichen Fantasien“ ausgelebt hätten, und sprach davon, dass weitere Kinder aus den „Fängen von Pädophilen“ befreit werden müssen.

Mit diesen Aussagen kriminalisiert Reul grundsätzlich Pädophile und unterstellt auf der anderen Seite allen Täter:innen, pädophil zu sein, obwohl dies nachweislich nicht der Fall ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Reul stigmatisierend gegen Pädophile äußert. 2022 drohte er auf einer ähnlichen Pressekonferenz allen Pädophilen pauschal mit Strafverfolgung. Trotz zahlreicher Kritik, unter anderem auch von Kein Täter Werden, hat er sich bis heute nicht für seine Aussagen entschuldigt und sie nicht zurückgenommen. Die Pressekonferenz am Dienstag zeigt, dass Reul, der sich gerne als Hardliner im Kampf gegen Kindesmissbrauch inszeniert, offenbar auch nichts dazugelernt hat und in Pädophilen weiterhin pauschal eine zu bekämpfende Gefahr sieht.


Vergangenen Mittwoch diskutierte der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern über einen Antrag der Grünen, der queere Menschen besser schützen soll. Anlass des Vorschlags waren Konfrontationen mit Rechtsextremen auf CSD-Veranstaltungen, die es vor allem in Wismar gegeben hat. Als Reaktion fordert der Antrag unter anderem besseren Schutz für queere Menschen und Veranstaltungen, sowie mehr Aufklärung. Damit möchten die Antragssteller erreichen „Minderheiten innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu beschützen, ihnen eine Stimme zu geben und ihnen zuzuhören“, sodass sie „schlicht in Ruhe ihr Leben“ leben können.

Der Vorschlag ist von allen Parteien außer der AfD überwiegend positiv aufgenommen worden. In der Aussprache wurde immer wieder betont, wie wichtig es ist, mit sexuellen Minderheiten human umzugehen und sie vor Hasskriminalität und Diskriminierung zu beschützen.

Die AfD wiederum nahm den Antrag zum Anlass, um auf menschenverachtende Art gegen queere Minderheiten zu hetzen. So machten sich die Redner der Partei über Menschen mit abweichender Geschlechts- oder sexueller Identität lustig, zweifelten an, dass sexuelle Minderheiten überhaupt Benachteiligung erfahren und bezeichneten die Aufklärung über queere Themen an Schulen als eine Gefährdung von Kindern. Als Teil ihrer Strategie, queere Menschen zu denunzieren, stellten sie schließlich eine Verbindung zu Pädophilie her, mit dem Ziel, das massive Stigma gegen Pädophile zu instrumentalisieren und auf andere sexuelle Minderheiten zu übertragen.

Diese Strategie ist am Mittwoch voll aufgegangen. Die Abgeordneten Dirk Bruhn von den Linken und Hannes Damm von den Grünen reagierten wütend und empört auf diesen Vergleich. Für Bruhn war klar, dass Pädophilie in die Debatte überhaupt nicht dazu gehöre. Damm wiederum behauptete, dass Pädophilie eine sexuelle Störung sei und deshalb nicht mit anderen sexuellen Minderheiten verglichen werden darf. Diese Aussage ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern selber ein Echo homophober und queerfeindlicher Rhetorik.

Die Abgeordneten der Grünen und Linken nehmen Pädophile somit explizit aus dem Schutzbereich des Antrags aus und überlassen sie weiterhin Diskriminierung und Hasskriminalität. Anstatt sich gegen die menschenverachtenden Aussagen der AfD grundsätzlich zu wehren, machen sie eine Unterscheidung zwischen sexuellen Minderheiten, die Schutz verdient haben, und solchen, die es nicht tun. Dadurch, dass sie mit der AfD darin übereinstimmen, dass es sexuelle Präferenzen gibt, die tatsächlich „krank“ sind und keinen Schutz verdient haben, geben sie aber der menschenfeindlichen Ideologie der AfD am Ende recht.

Die vollständige Debatte ist auf YouTube verfügbar. Der Antrag wurde nach der Debatte von den Grünen zurückgezogen, die stattdessen in Zusammenarbeit mit den anderen Parteien einen neuen Vorschlag ausarbeiten und in der Zukunft neu einbringen wollen.


Anfang der Woche veröffentliche die finnische Kinderschutzorganisation Protect Children einen Abschlussbericht zu einem seit zwei Jahren laufenden EU-finanzierten Forschungsprojekt zu den Motivationen von Menschen, die im Darknet nach illegaler Kinder- und Jugendpornografie gesucht haben. Teil dieses Projekt wer eine anonyme Online-Umfrage, deren Ergebnisse in dem Abschlussbericht aufgearbeitet werden.

Bemerkenswert ist, dass lediglich eine Minderheit der Teilnehmer:innen angaben, ein sexuelles Interesse an Kindern zu haben. Lediglich 19% gaben an, sich zu vorpubertären Kindern hingezogen zu fühlen. 16 % gaben ein sexuelles an pubertären Kindern an.

Die Mehrheit der Befragten wurde nicht durch ein sexuelles Interesse motiviert. Viele Teilnehmer sagten stattdessen aus, durch das Betrachten illegaler Abbildung mit negativen Emotionen versuchen umzugehen. Anderen ging es um die Aufregung, ein absolutes Tabu zu brechen. Bei wieder Anderen spielte eine sich eskalierende Pornografiesucht eine Rolle. Auch fanden sich unter den Teilnehmenden selber von Kindesmissbrauch Betroffene, die entweder einen Umgang mit ihren eigenen Missbrauchserfahrungen suchten, oder nach Aufnahmen ihres eigenen Missbrauchs suchten. Zudem fanden sich selber Minderjährige, die nach Pornografie Gleichaltrigen gesucht haben, unter den Teilnehmern.

Die Studie hat zwar einige methodische Mängel, auf die Sirius in einem Blogbeitrag detaillierter eingegangen ist, weshalb die Zahlen sehr mit Vorsicht zu genießen sind. Dennoch bestätigt sich, was sich auch in anderen Studien immer wieder gezeigt hat: Faktoren, die zu Sexualstraftaten gegen Kinder führen, sind sehr komplex, vielschichtig und individuell verschieden, und lassen sich insbesondere nicht auf das Vorhandensein Pädophilie vereinfachen. Umso wichtiger für die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch ist der Aufbau von Präventionsprogrammen, die sich nicht nur an pädophile Menschen als einzige „potenzielle Tätergruppe“ richten, sondern auch Menschen anspricht, die nicht das Vorurteil des pädophilen Täters erfüllen.


Aufklärung zum Thema Pädophilie ist schwer. Nicht nur, dass es für pädophile Menschen mit einem nicht einschätzbaren Risiko verbunden ist, sich zu outen und öffentlich über die eigenen Erfahrungen zu sprechen – oft ist es auch schlicht so, dass die Öffentlichkeit nichts über das Thema wissen will.

Diese Erfahrung musste auch Georg zweimal machen, als er bei zwei Gelegenheiten versuchte, sich für Aufklärung zu engagieren. Bereits im Februar versuchte er, bei einer Veranstaltung für Toleranz einen Informationsstand zu betreiben und verteilte unter anderem Flyer von Wir sind auch Menschen, und erhielt am Ende einen Platzverweis von den Veranstaltern. Zuletzt versuchte er, auf einem Stadtfest in Spenge einen Informationsstand aufzubauen. Dieser außerordentliche Mut wurde auch hier mit Enttäuschung quittiert, und sein Antrag von der Stadt abgelehnt.

Ein Bericht der Lokalzeitung Neue Westfälische (Paywall) offenbart nun einige Hintergründe der Entscheidung. So wird der Spengener Bürgermeister Bernd Dumcke mit den Worten zitiert, das Thema Pädophilie sei „zu schwer für die Gesellschaft“ und „tendenziell nicht vermittelbar“.

Diese Entscheidung wirft einige Fragen auf. Die alltägliche Flut stigmatisierender Botschaften und Medienberichte gegen Pädophile zeigt, dass das Thema offenbar nicht zu schwer ist, solange dabei die gängigen Vorurteile bestätigt werden. Werden diese Vorurteile aber durch sachlich korrekte Aufklärung infrage gestellt, die etwa auf die Differenzierung von Pädophilie und Missbrauch hinweist, scheint dies nicht mehr zumutbar zu sein. Merkwürdig ist auch die Rolle des Bürgermeisters, der sich scheinbar in der Rolle sieht, kollektiv für alle Bürger:innen zu entscheiden, was „zu schwer“ für sie ist, anstatt das Informationsangebot zu ermöglichen und die Menschen selbstbestimmt entscheiden zu lassen, ob sie sich informieren lassen wollen.

Am Ende ist der Vorfall ein weiteres trauriges Beispiel dafür, wie pädophile Menschen aus gesellschaftlicher Partizipation ausgegrenzt werden und zum Schweigen gebracht werden, wenn sie sich selbstbestimmt dafür einsetzen, wahrgenommen zu werden und dabei den verbreiteten Vorurteilen und Stereotypen nicht entsprechen.