Orientierungshilfen für Journalisten

Über Themen im Zusammenhang mit Pädophilie zu berichten, ohne dabei pädophile Menschen zu stigmatisieren, ist keine leichte Sache. Viele verletzende Formulierungen bis hin zu eindeutigen Verleumdungen sind derart normalisiert, dass sie häufig gedankenlos abgeschrieben und immer weiter verbreitet werden. Dadurch sind die Medien einer der größten Verbreiter des Vorurteils, dass Pädophilie zwangsläufig mit Straftaten zu tun hat, haben gleichzeitig aber auch die Macht, Reichweite und nicht zuletzt auch die Verantwortung, diesen Vorurteilen durch ausgewogene und aufgeklärte Berichterstattung zu begegnen.

Zur Unterstützung haben wir hier einige Aspekte stigmatisierender Berichterstattung gesammelt, die uns immer wieder aufgefallen sind und daraus einen Leitfaden erstellt, der als Orientierungshilfe für die Berichterstattung im Zusammenhang mit Pädophilie dienen kann.

Richtlinien

1. Den Unterschied zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch beachten!

Nur eine Minderheit der Kindesmissbrauchstäter:innen und etwa die Hälfte aller Konsument:innen von Kinderpornografie sind pädophil. Auf der anderen Seite gibt es viele pädophile Menschen, die sich in ihrem Leben nie einer Straftat schuldig machen. Pädophilie ist keine Tat, sondern eine Sexualpräferenz, die – genauso wie andere Sexualitäten – nicht notwendigerweise zu Straftaten führt. Die Grundlage für eine nicht-stigmatisierende Berichterstattung ist es, sich diesen Unterschied immer bewusst zu machen und zu berücksichtigen.

BILD über einen Missbrauchstäter
„Pädophiler“ sagen, aber „Straftäter“ meinen: ein Beispiel für eine Überschrift, die den Unterschied zwischen Pädophilie und Straftaten nicht beachtet

2. Bei Berichterstattungen über Straftaten Pädophilie nur dann erwähnen, wenn sie erwiesen und relevant ist.

Es ist falsch bei allen Täter:innen von Kindesmissbrauch oder Kinderpornografie davon auszugehen, dass sie pädophil sind – die Mehrheit ist nicht pädophil. Grundsätzlich soll bei Täter:innen eine pädophile Neigung also nicht einfach angenommen, sondern nur dann überhaupt erwähnt werden, wenn sie erwiesen ist (zum Beispiel von einem Gutachter oder Psychologen).

Doch auch darüber hinaus besteht bei der Erwähnung der pädophilen Neigung im Zusammenhang mit Straftaten immer die Gefahr, dass dadurch die Stigmatisierung pädophiler Menschen weiter gefördert wird. Die Sexualität pädophiler Täter:innen soll also auch dann, wenn sie erwiesen ist nur in Ausnahmefällen erwähnt werden, nämlich wenn sie eine Relevanz für den Fall hat (Beispiel: Ein pädophiler Täter wird wegen seiner Sexualität zu einer Therapie verurteilt).

Wir weisen an dieser Stelle insbesondere auch auf den relevanten Abschnitt im Pressekodex hin.

Pressekodex Ziffer 12.1 (Berichterstattung über Strafen): In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

3. Auf die richtigen Begriffe achten.

Pädophilie ist definiert als die sexuelle Präferenz zu Kindern vor dem Erreichen der Pubertät, also in etwa Kinder vor dem Erreichen des 12. Lebensjahrs. Wenn von Pädophilie gesprochen wird soll darauf geachtet werden, dass diese Definition im Kontext der Erwähnung auch zutreffend ist.

Hier ist eine Liste von Dingen, die in der Berichterstattung häufig mit Pädophilie verwechselt werden, aber nichts direkt mit dem Thema zu haben:

  • Präferenz zu Jugendlichen. Hier sind Begriffe wie „Hebephilie“, „Ephebophilie“ oder „Parthenophilie“ passender.
  • Beziehungen mit großem Altersunterschied. Der Altersunterschied spielt bei Pädophilie keine Rolle, es kommt alleine darauf an, ob man sich zu Kindern vor der Pubertät hingezogen fühlt.
  • Straftaten gegen Kinder. Passender ist der Begriff „Kindesmissbrauchstäter.“
  • Allgemeine Gewalttaten oder Mord an Kindern. Diese haben in den seltensten Fällen mit Pädophilie zu tun. Ein prominentes Beispiel hier ist der „Pädophile“ Marc Dutroux, bei dem nie eine Pädophilie festgestellt werden konnte.
Pädophilie und Jugendliche
Pädophilie ist nicht gleichbedeutend mit Straftaten gegen Kinder – und erst recht nicht gegen Jugendliche.

4. Stigmatisierende Formulierungen vermeiden.

Es gibt eine Reihe von Formulierungen, die sich bei Berichterstattungen über Straftaten gegen Kinder oder zum Thema Pädophilie eingebürgert haben, die jedoch pädophile Menschen direkt oder indirekt abwerten und stigmatisieren. Auch hier haben wir einige Beispiele für gängige Formulierungen gesammelt, die besser vermieden werden sollten.

  • Pädosexuelle“ oder „Pädokriminelle“, wenn damit Kindesmissbrauchstäter:innen gemeint sind. Dies ist zwar etwas besser als pauschal von „Pädophilen“ zu reden, stellt aber immer noch einen Zusammenhang zwischen Straftaten und Pädophilie her. Ähnlich, wie im Zusammenhang mit Vergewaltigern nicht von „Heterokriminellen“ die Rede ist, soll bei Kindesmissbrauch auch nicht von „Pädokriminellen“ geredet werden.
  • „Pädophilenring“, „Pädophilen-Chat“ oder „Pädophilennetzwerk“, wenn damit kriminelle Vereinigungen gemeint sind. Dies kriminalisiert pauschal alle Zusammenkünfte pädophiler Menschen, auch wenn diese zum Beispiel das Ziel haben, einander bei einem straffreien Leben zu unterstützen.
  • Negative Vergleiche mit „bis hin zur Pädophilie“ beenden. Pädophilie ist eine Sexualität, die sich niemand aussucht und die niemanden zu einem schlechten Menschen macht. Entsprechend falsch ist es, Pädophilie in einem Atemzug mit Gewalttaten wie Folter, Vergewaltigung oder Mord zu nennen – oder diese sogar als noch schlimmer zu bezeichnen.
  • Pädophile mit abwertenden Adjektiven wie „pervers“, „krank“, „gestört“ oder „widerlich“ belegen. Dies ist schlicht beleidigend.

5. Passende Illustrationen verwenden.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Somit tragen auch die Symbolbilder zu Artikeln oder die bildliche Untermalung von Dokumentationen und Reportagen sehr stark zu dem Eindruck bei, der über pädophile Menschen vermittelt wird. Bilder, die eine Bedrohung oder kindliches Leid implizieren (zum Beispiel bedrohliche Schattengestalten oder weggeworfenes, kaputtes Spielzeug) können weiter dazu beitragen, dass Pädophile als grundsätzliche Gefahr wahrgenommen werden, auch wenn dies in dem Bericht inhaltlich vielleicht gar nicht so vermittelt wird.

Weggeworfene Puppe
Weggeworfenes Kinderspielzeug, verlassene Spielplätze, bedrohliche Schattenfiguren. Symbolbilder und Illustrationen können die Meinung wesentlich beeinflussen, noch bevor das erste Wort gelesen wurde

6. Nicht nur über uns, sondern auch mit uns!

Zu einer ausgewogenen Berichterstattung zum Thema Pädophilie gehört auch immer der Kontakt zu und Austausch mit Betroffenen. Bei Berichten, die das Thema Pädophilie direkt behandeln ist es also immer empfehlenswert, mit pädophilen Menschen nach Möglichkeit direkt zu reden, um ein realistisches Bild zeichnen zu können.