Ist Pädophilie eine Krankheit?

Das wichtigste zuerst: Nein, Pädophilie ist grundsätzlich keine Krankheit.

Pädophil zu sein heißt erst einmal nur, Gefühle, welche die meisten Anderen für erwachsene Menschen entwickeln können, für Kinder empfinden zu können. Es bedeutet also, dass wir in dieser Hinsicht anders fühlen als die meisten. Anders zu sein bedeutet aber nicht gleich, krank zu sein. Nicht alles, was von der Mehrheit und der „Normalität“ abweicht, hat automatisch einen Krankheitswert.

Die Pädophilie ist für uns ein fester Teil unserer Identität, der uns mit zu den Menschen macht, die wir sind. Eine pädophile Neigung lässt sich nicht verändern oder loswerden. Schon alleine deswegen ist es nicht konstruktiv, die Pädophilie als Krankheit zu sehen: denn wenn es eine Krankheit wäre, dann müsste man sie als unheilbar betrachten. Dies wiederum ist eine sehr pessimistische Sicht, die mit Sicherheit keinen positiven Einfluss auf die eigene psychische Gesundheit hat.

Fachliche Einordnung

Soviel zu unserer Einschätzung. Doch wie sieht die Fachwelt, wie sehen Mediziner:innen, Therapeut:innen und Forscher:innen das?

Tatsächlich ist das eine Frage, die ziemlich umstritten war. Für lange Zeit galt Pädophilie tatsächlich als Krankheit und wurde unter Begriffen wie „sexuelle Devianz“, „Störung der Sexualpräferenz“ oder „paraphile Störung“ gelistet.

Das hat sich erstmals mit Veröffentlichung des DSM-V geändert, das in den USA als Grundlage für therapeutische Diagnosen und Arbeiten genutzt wird. Dort wird eine sexuelle Ansprechbarkeit für Kinder nämlich nur dann als krankhaft gewertet, wenn mindestens eine von zwei Kriterien zusätzlich gegeben ist:

  1. Ein signifikanter Leidensdruck, der das Leben des Betroffenen selbst einschränkt.
  2. Es kommt zu Fremdschädigung in Form von sexuellen Übergriffen auf Kinder.

Anders gesagt, pädophile Menschen, die nicht unter ihrer Sexualität leiden und anderen keinen Schaden zufügen, gelten damit nicht als krank.

In Europa wird als Grundlage für Diagnosen allerdings nicht das DSM, sondern stattdessen das ICD der Weltgesundheitsorganisation genommen.

Die aktuellste Version des ICD, der ICD-11, orientiert sich bei der Einschätzung dabei an den DSM-V: so gilt Pädophilie an sich nicht als Krankheit, kann sich aber zu einer „pädophilen Störung“ entwickeln, wenn ein Leidensdruck oder eine Fremdschädigung hinzukommt.

Das Problem mit dem Krankheitsbegriff

„Du bist doch krank!“

Sätze wie den obigen bekommen pädophile Menschen häufiger zu hören. Motiviert sind diese Aussagen selten von Sorge, Mitgefühl oder dem Wunsch, der betroffenen Person möge es schnell besser gehen. Meistens steht dahinter eine Abwertung, der Satz ist selten fürsorglich und meistens beleidigend gemeint.

Kurz gesagt, die Zuschreibung als „krank“ und „gestört“ ist eine weitere Ausprägung des Stigmas, mit dem pädophile Menschen täglich konfrontiert sind. Pädophile werden damit als in ihrem Wesen falsch und kaputt abgestempelt. Zudem wird der Stigmatisierung und Diskriminierung pädophiler Menschen damit eine scheinbare Rechtfertigung gegeben, denn wenn Pädophilie eine Krankheit ist, stellt sich logisch die nächste Frage, wie die Gesellschaft vor dieser Krankheit geschützt werden kann. Gleichzeitig kann die obige Aussage als Totschlagargument gegen alles verwendet werden, was wir sagen, ohne sich inhaltlich damit beschäftigen zu müssen.

Wird dies von pädophilen Menschen verinnerlicht, kann dies zu einem negativen Selbstbild bis hin zu Selbsthass führen. Häufig wenden sich Betroffene an Hilfestellen mit dem Wunsch, von dieser „Krankheit“ „geheilt“ zu werden – und gehen mit der verzweifelten Erkenntnis zurück, dass eine „Heilung“ nicht möglich ist. Wer pädophil ist, bleibt dies in der Regel ein Leben lang. Daher ist es konstruktiver, Pädophilie als Teil der sexuellen Identität zu verstehen, anstatt als Krankheit.