Richtlinien für den Alltag
Du bist auch der Meinung, dass der Umgang der Gesellschaft mit Menschen mit einer pädophilen Neigung, die keinem Kind etwas antun wollen, nicht richtig ist, bist dir aber nicht sicher, wie du dem in deinem Alltag am besten begegnen kannst? Hier haben wir ein paar Vorschläge für dich gesammelt, wie du helfen kannst, gegen diese Stigmatisierung vorzugehen.
Auf die eigene Wortwahl achten
Ein erster Schritt ist es, bei der eigenen Wortwahl auf einige Begriffe zu verzichten, da sie die Stigmatisierung pädophil empfindender Menschen weiter aufrechterhalten. Insbesondere die folgenden Begriffe sollten vermieden werden.
Die Erwähnung des Worts „Pädophiler“ im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch. Das erweckt den Anschein, als wäre die pädophile Neigung der Grund für den Missbrauch. Dabei müssen zu einer pädophilen Neigung noch andere Faktoren wie etwa eine fehlende Impulskontrolle oder fehlende Empathie hinzukommen, um zu einem Missbrauch zu führen. Auch begeht lange nicht jeder pädophile Mensch sexuelle Übergriffe und viele Täter:innen sexuellen Kindesmissbrauchs sind nicht pädophil, werden aber dennoch als „Pädophile“ bezeichnet. Besser wäre es, von Missbrauchstäter:innen zu sprechen. Die sexuelle Neigung der tatverübenden Person spielt hierbei keine Rolle.
„Pädo-Priester“, „Pädokrimineller“ oder „Serien-Pädophiler“. Hier geht es um das Gleiche. Die Neigung wird hier wieder mit der Tat des sexuellen Missbrauchs gleichgesetzt, dabei ist die sexuelle Orientierung einer Person bei der Straftat irrelevant. Man würde ja bei einem Mann, der Frauen vergewaltigt auch nicht von einem „Heterokriminellen“ oder einem „Serien-Heterosexuellen“ sprechen. Besser wäre es auch hier, von Missbrauchstäter:innen zu sprechen.
„Pädophilennetzwerk“, „Pädophilenring“. Eigentlich wäre jede Gruppe pädophiler Menschen, die sich über das Internet miteinander vernetzen, ein „Pädophilennetzwerk“, auch wenn es dort nur um freundschaftlichen Austausch, gegenseitige Unterstützung und Selbsthilfe geht. Besser wäre es also für Menschen, die sich über illegale Handlungen austauschen oder diese planen, den Begriff „Strafttäternetzwerk“ oder „Missbrauchsnetzwerk“ zu verwenden.
„Pädophile Positionen“. Wenn von Positionen die Rede ist, die sexuelle Handlungen mit Kindern legalisieren wollen oder sexuellen Missbrauch verharmlosen, dann werden diese oft als „pädophile Positionen“ bezeichnet. Das ist unfair und vergleichbar damit, antisemitische Haltungen pauschal als „deutsche Positionen“ zu bezeichnen. Es erweckt den Eindruck, als würden alle pädophilen Menschen diese Ansichten vertreten. Dies ist allerdings nicht richtig, da viele der Meinung sind, dass sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Menschen und Kindern zu Recht unter Strafe stehen. Wir möchten nicht mit denjenigen auf eine Stufe gestellt werden, die obige Positionen vertreten. Besser, wenn auch länger, wäre also stattdessen z.B. von „missbrauchsverharmlosenden Positionen“ oder „missbrauchsbefürwortenden Haltungen“ zu sprechen.
Außerdem: „Kinderschänder“. Auch wenn es nichts direkt mit der pädophilen Neigung zu tun hat, wird für Missbrauchstäter:innen oft das Wort „Kinderschänder“ verwendet. Dieses impliziert aber, dass das Kind durch den Missbrauch „Schande“ auf sich lädt, nach dem sexuellen Missbrauch also „befleckt“ und „unrein“ und somit weniger wert sei, was natürlich Unsinn ist. Abgesehen davon sollte schon der Ursprung des Wortes, die rechtsextreme Szene, Anlass genug sein, dieses Wort nicht zu benutzen.
Diskriminierung im Alltag begegnen
Natürlich kannst du auch mehr tun und Personen, die die oben genannten Begriffe nutzen, direkt darauf hinweisen, weshalb es schlecht ist, diese zu nutzen und welche man stattdessen benutzen könnte.
Dieser nächste Schritt erfordert allerdings schon eine gewisse Eigeninitiative. Zum Beispiel könntest du, wenn in einer Diskussion das Thema „Pädophilie“ aufkommt, Stellung beziehen und erklären, dass es sich bei Pädophilie nur um die sexuelle Neigung handelt, die niemand sich aussucht; dass diese Neigung nicht nur auf ihren sexuellen Anteil reduziert werden kann und sich die meisten pädophilen Menschen auch ehrlich in Kinder verlieben können; und dass die meisten pädophil empfindenden Menschen nie einen Missbrauch begehen, da ihnen das Wohl der Kinder genauso am Herzen liegt wie den meisten anderen Menschen auch.
Wenn man bedenkt, dass schätzungsweise einer von 100 Menschen pädophil ist, ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht so gering, dass auch du mindestens eine pädophile Person kennst, der du dabei helfen könntest, ein positiveres Selbstbild aufzubauen, indem du pädophile Menschen eben nicht auf eine Stufe mit Straftäter:innen stellst und nicht als „Abschaum“ oder ähnliches bezeichnest. Und vielleicht zieht diese Person dann sogar in Betracht, sich dir anzuvertrauen.
Es erfordert sicherlich aber einen gewissen Mut, sich bei diesem Thema gegen die Mehrheit zu stellen. Und selbstverständlich kommt es auch auf die Umgebung an, in der so eine Diskussion geführt wird. In einer gepflegten Umgebung mit Familienangehörigen ist vielleicht eher auf offene Ohren und Interesse an dem Thema zu hoffen als bei einem emotional aufgeladenen Gespräch in der Stammtisch-Kneipe.
Schlussendlich darfst du natürlich auch gerne an Interessierte (oder möglicherweise selbst Betroffene) diese Webseite www.wir-sind-auch-menschen.de weiterempfehlen oder sogar selber unsere Flyer ausdrucken und verteilen.