Aktuelles

Am 1. Juli 2021 sind umfassende Strafverschärfungen und -Erweiterungen im Bereich Kindesmissbrauch und Kinderpornographie in Kraft getreten. Als eine der zentralen Änderungen gilt seitdem der Besitz von Kinderpornographie grundsätzlich als Verbrechen. Dies bedeutet insbesondere, dass das Mindeststrafmaß jetzt bei einem Jahr Haft liegt. Gleichzeitig können Verfahren nicht mehr wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.

Genau diese Verschärfungen hält der Münchener Amtsrichter Robert Grain für verfassungswidrig, und hat deswegen nun eine Normbeschwerde vor dem Verfassungsgericht eingereicht. Dies berichtete das Legal Tribune Online, das sich wiederum auf einen kostenpflichtigen Artikel der SZ bezieht. Anlass der Beschwerde ist ein Strafverfahren gegen eine Mutter, die das Nacktbild eines Kindes, welches ihrem Kind geschickt wurde, zur Warnung an weitere Eltern versandt hatte.

Aufgrund der Gesetzesverschärfung muss in solchen Fällen immer ermittelt werden, ein Einstellen der Verfahren ist nicht mehr möglich. Das betrifft zum Beispiel auch Fälle, in denen Eltern Nacktbilder ihrer Kinder auf dem Handy haben, in denen Menschen unfreiwillig strafbares Material zugeschickt wird und sie dies nicht schnell genug melden, oder auch Kinder und Jugendliche selber, die Nacktbilder von sich besitzen oder untereinander austauschen. Dies führt zu einer Mehrbelastung der Gerichte und der Staatsanwaltschaft, während gleichzeitig teilweise die Opfer sexueller Übergriffe selber kriminalisiert werden. Vor diesen Problemen hatten schon einige Experten in der Sachverständigenanhörung zu dem Gesetzesentwurf gewarnt, die allerdings von der damaligen Regierung weitestgehend ignoriert wurden.

Auch die Staatsanwälte selber sind daher mit den Änderungen zum Teil nicht glücklich, der Hamburger Oberstaatsanwalt Michael Abel äußert sich in der SZ etwa wie folgt:

Wir halten uns natürlich an das, was der Gesetzgeber verlangt, aber was wir hier machen müssen, das liegt den Kollegen auf der Seele - und mir auch.


Gestern feierte Ulrich Seidls neuster Film Sparta seine Deutschlandpremiere beim Filmfest in Hamburg. Sparta bildet den Schwesterfilm zu Seidls Werk Rimini; ursprünglich sollten beide Filme nur einen Film mit dem Titel Böse Spiele bilden. Sparta begleitet den pädophilen Judolehrer Ewald, der nach einer gescheiterten Beziehung einen Neuanfang in einem heruntergekommenen Landstrich in Rumänien anfängt. Dort erwirbt er ein verlassenes Schulgebäude, welches er mithilfe einiger Jungen aus der Umgebung in eine Festung umbaut, in der er den Kindern kostenlosen Judounterricht gibt. Die Schule („Sparta“) wird bald schon zu einem Paradies für die Jungen, die sonst ein tristes Leben in verarmten und zerrütteten Familien führen, in denen Gewalt und Alkoholismus an der Tagesordnung stehen. In diesem Milieu scheint Ewald der Einzige zu sein, der sich um die Kinder kümmert, und den es interessiert, wenn den Jungen familiäre Gewalt angetan wird.

Dieser positiven Darstellung des Protagonisten und seiner Beziehungen zu Kindern stehen Szenen gegenüber, in denen er die Kinder nur mit einer Unterhose bekleidet für sich posieren lässt, Fotos von ihnen macht oder ihnen körperlich sehr nahekommt. Zu strafbaren Handlungen oder Missbrauch durch Ewald kommt es in dem Film aber nicht, obwohl er durchaus in Situationen kommt, in denen er die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Dennoch gab es mehrere ausgedehnte Szenen, in denen er die Bilder der Jungs auf einem großen Monitor betrachtet, und auf einzelne Körperregionen heranzoomt. Szenen, in denen die Stimmung im Saal sich merklich verdüsterte.

Die Rezeption des Films war grundsätzlich positiv, die Vorstellung wurde mit lautem Applaus vom Publikum gewürdigt. Im Anschluss beantwortete Seidl, der persönlich anwesend war, einige Fragen einer Moderatorin, die allerdings leider enttäuschend oberflächlich waren. So wurde das Thema Pädophilie nur indirekt in einem Nebensatz angeschnitten, und auch auf die Kontroversen, die den Film begleiten, wurde nur sehr kurz eingegangen. Dabei erzählte Seidl im Wesentlichen nichts, was er nicht schon in einem Interview ein paar Tage vorher geäußert hatte. Auch eine anschließende Fragerunde gab es nicht. Interessant war lediglich zu erfahren, dass Georg Friedrich, der Ewald in dem Film spielt, sich wohl ein Jahr auf seine Rolle vorbereitet und dabei auch mit einem pädophilen Menschen gesprochen habe, weiter wurde aber auf das Thema nicht eingegangen.

Zum Abschluss unsere Ersteindrücke zum Film in Kurzform.

Rubricappula

Ich fand viele Szenen in dem Film sehr unangenehm anzusehen, gerade auch in Anbetracht der Kontroverse um Seidl selbst, die er wohlgemerkt nicht gerade dadurch entkräftet hat, indem er sie bei seinem selbst beweihräucherndem Auftritt entschieden ausgeklammert hat. Die Fragen, die ihm gestellt wurden, waren alle sehr wohlwollend formuliert und ließen Kritik oder Zweifel keine Chance. Ausbeutung hat viele Gesichter und vielleicht ist es auch das, was der Film aussagen möchte - dann ist die Kontroverse meiner Meinung nach aber umso gerechtfertigter. Unter anderem die berüchtigte Szene mit dem Alkoholiker und die Frage, ob die Eltern der Kinder wirklich vollumfänglich eingeweiht waren und/oder sind, worum es in dem Film gehen soll. Hier vermischt sich das reale Leben dieser Kinder zu sehr mit Schauspiel, was vielleicht für erwachsene Darsteller in Ordnung sein mag, nicht aber für Kinder.

Im Film selbst sind mir vor allem Szenen, in denen Ewald sich den Jungen (meiner Ansicht nach) körperlich aufdrängt, indem er sie ungefragt streichelt, küsst oder sich an sie heran kuschelt, ohne, dass die Jungen selbst diese Art von Zuneigung (bei ihm) gesucht hätten, besonders unangenehm aufgefallen. Auch, wenn Ewald scheinbar (nicht ganz eindeutig, manche Szenen könnten als Andeutung interpretiert werden) keine sexuellen Übergriffe begeht, hatte ich überwiegend den Eindruck, Ewald sollte als „das geringere Übel“ in der Geschichte fungieren, nicht aber zwingend als Positivbeispiel eines Pädophilen. Für mich wurden die Szenen beim halb nackten Toben/Judo oder beim Duschen, teils auch unnötig in die Länge gezogen, ebenso wie die mehrfachen Szenen in denen er einfach nur die Fotos der Jungs anstarrt.

Die Geschichte um seinen Vater hätte für mich besser in einen anderen Film gepasst, dennoch empfand ich sie als ziemlich berührend.

Allgemein fehlte mir im Film die Gedankenperspektive der Charaktere, besonders die von Ewald, da vieles nicht durch die gezeigten Aufnahmen allein ersichtlich ist. Wie er z. B. sein Leben vor der Beziehung mit seiner Freundin verbracht hat, ist nicht bekannt, dadurch wirkt sein Coming-in ziemlich abrupt. Auch womit er genau innerlich hadert, wird nach einer Szene, in der er weinend zusammenbricht, nicht erläutert.

Allerdings gab es auch einige schöne Szenen, in denen es einfach natürlich wirkte, wie er mit den Jungen umging. Ich habe mich tatsächlich manchmal ein wenig ertappt gefühlt, zu sehen, wie dieser offensichtlich erwachsene Mann mit den Kindern zusammen aufblühte, Spaß hatte und es für alle Seiten für einen kurzen Moment keine Sorgen in ihrem Leben gab - diesen Aspekt der Pädophilie haben Seidl und auch der Darsteller Georg wirklich gut rüberbringen können.

Ich habe mir zum aktuellen Zeitpunkt noch kein abschließendes Urteil über den Film gebildet.

Sirius

Ich bin kein Freund der Cancel Culture und daher froh, dass der Film trotz aller Kontroversen gezeigt wurde und die Vorführung nicht abgesagt wurde, wie es mit der Weltpremiere in Toronto geschehen ist. Gleichzeitig hat es sich das Hamburger Filmfest aber auch ein wenig zu einfach gemacht. Ein Film kann nicht existieren, ohne dass er vorher produziert wurde. Das Endresultat von den Produktionsbedingungen zu trennen, ist dann doch ein wenig zu bequem. Frustrierend war auch, dass zum Thema Pädophilie nicht wirklich was erzählt wurde. Nur einmal redete die Moderatorin der Veranstaltung peinlich berührt von jemanden mit „solchen Neigungen“, fast so als hätte sie Angst, eine neue Kontroverse zu beschwören, wenn sie das P-Wort ausspricht.

Der Film selber ist durchaus interessant – man muss ja schon dankbar für jeden Film sein, der Pädophile nicht als monströse, psychopathische Bösewichter darstellt. Auch, wenn ich mir wünschen würde, dass Regisseuren mal was Kreativeres einfallen würde, um die pädophile Sexualität eines Charakters darzustellen, als ihn in einsamen, kalten Räumen minutenlang auf den nackten Oberkörper kleiner Jungs starren zu lassen. Dem Zuschauer wird so der (vermeintlich) pädophile Blick aufgezwungen, mit dem Ergebnis, dass er sich gruselt und ekelt. Durch die Beobachtung eines Voyeuristen wird er so selber zum Voyeuristen.

Als Gegenspieler zu Ewald dient vor allem der Vater eines Jungen, den Ewald ganz besonders zu mögen scheint (also den Jungen, nicht den Vater). Hier ist durchaus anzuerkennen, dass der Film keine einfache Schwarz-Weiß-Malerei betreibt. Ewald fügt den Kindern, im Gegensatz zu deren Vätern, kein Leid zu. Im Gegenteil, er bietet ihnen ein kindliches Paradies inmitten einer tristen Einöde, das sie so noch nie erleben konnten. Natürlich macht er dies zu einem großen Teil aus Eigennutz, weil ihm die Nähe zu Kindern Freude bereitet. Fakt ist aber, am Ende des Films ist der Einfluss, den Ewald auf die Kinder, mit denen er zu tun hatte, überwiegend positiv.

Das größte Manko des Films ist meiner Meinung nach: Zeit. Der Film ist einfach zu kurz. Vieles wird angedeutet, aber nicht zu Ende erzählt. Fast alle Charaktere außer Ewald und vielleicht noch seine Freundin (die aber nach der ersten halben Stunde keine Rolle mehr spielt) sind höchst eindimensional. Auch die Jungen (im ganzen Film ist übrigens kein einziges Mädchen zu sehen) haben recht eindimensionale Persönlichkeiten. Die Familien sind insgesamt wenig mehr als Klischees osteuropäischer Arbeiter. Verwahrlost, brutal, gewalttätig, alkoholisiert, asozial. Hier fehlten mir Nuancen, die dem Ganzen mehr Tiefe geben und damit auch den Konflikt zwischen Ewald, der stellenweise als mitteleuropäische „Retterfigur“ daherkommt, und den Einheimischen interessanter gemacht hätten. So wirkt auch der Klimax des Films sehr plötzlich und das Ende ein wenig abrupt.

Auch ich möchte keine abschließende Wertung abgeben, ohne den Film nicht mindestens ein zweites Mal gesehen zu haben. Auf jeden Fall lohnt es sich, ihn zu sehen, wenn man sich für das Thema Pädophilie interessiert. Sparta ist, wie ich finde, wesentlich erfolgreicher damit, einen pädophilen Charakter zu porträtieren, als Kopfplatzen – ein weiterer Film, der einen pädophilen Mann als Hauptcharakter hat. Paradoxerweise vielleicht gerade deswegen, weil Sparta im Kern kein Film über Pädophilie ist, sondern über Themen, mit denen wir uns alle irgendwie identifizieren können: Sehnsucht, Liebe, Einsamkeit, und die Suche nach einem Platz im Leben.


Im Sommer diesen Jahres traten Mitglieder des Online-Portals „K13 Online“ unter der MAP-Flagge auf dem Christopher Street Day in Köln auf. K13 ist eine seit 18 Jahren aktive Gruppierung, die sich unter anderem für die Legalisierung von Kindesmissbrauch (§§ 176ff StGB) und Kinderpornographie (§ 184 StGB) einsetzt. Die MAP-Flagge ist eine Pride-Flagge der MAP-Community; MAP steht dabei für Minor Attracted Person und umfasst neben Pädophilie auch Hebephilie, Ephebophilie und Parthenophilie. Die Flagge ist ausdrücklich kein Symbol, das für die Legalisierung von Sex mit Kindern steht.

Als Reaktion auf den Auftritt gab es einige unsachliche Medienberichte, unter anderem von der BILD. Vor wenigen Tagen erst veröffentlichte der ehemalige BILD-Chefredakteur Julian Reichelt auf seinem YouTube-Kanal ein Video, in dem er auf verhetzende Weise MAPs (und damit vor allem auch alle Pädophile) pauschal als „Kinderschänder“ (sic) bezeichnet. Was sowohl die K13, als auch diese polemisierenden Medienberichte außer Acht lassen: das Zentrum der Flagge bildet ein weißer Streifen, der in der Intention der Erstellerin der Flagge für „Unschuld und den festen Willen, keine Übergriffe zu begehen“ steht.

Die WsaM-Autoren Rubricappula, Regenbogenfisch und Sirius haben sich des Themas jetzt in einem Artikel auf dem Weblog “Kinder im Herzen angenommen.

Hier sind einige Ausschnitte aus den Stellungnahmen:

Rubricappula: Ich fühle mich weder von Gieseking vertreten, noch möchte ich mit ihm verglichen werden, nur weil ich mich ebenfalls als Aktivist betrachte und ich wünschte, die Medien würden die offensichtlichen Unterschiede ebenfalls erkennen.

Regenbogenfisch: Die Akzeptanz von Gefühlen und Gedanken, für die niemand etwas kann, ist etwas vollkommen anderes als die Akzeptanz von Handlungen, die immer das Potenzial in sich tragen, anderen Menschen (in diesem Fall besonders schützenswerten Kindern) zu schaden und sie zu traumatisieren. Und ich bin mir sicher, dass auch die Gesellschaft in der Lage ist, dies zu erkennen. Uns zu akzeptieren, heißt nicht Dieter Gieseking, heißt nicht K13 zu akzeptieren.

Sirius: Es ist ein ganz großer Schlag ins Gesicht, die MAP-Flagge als Symbol der K13 in den Medien zu sehen. Immer wieder erweisen sich Menschen, die Sex mit Kindern legalisieren wollen als einige unserer größten Gegner. Dies sorgt dafür, dass unser eigener Aktivismus regelmäßig in Verruf gebracht wird, da die Entstigmatisierung der Pädophilie als gleichbedeutend mit der Entkriminalisierung sexueller Handlungen mit Kindern gesehen werden.

Den ganzen Artikeln, mit weiteren Hintergründen zu den Geschehnissen auf dem CSD, der K13 und der Geschichte der MAP-Flagge gibt es hier zu lesen: https://kinder-im-herzen.net/blog/flagge-bekennen.


Der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl äußert sich in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Profil“ erstmals zu den Vorwürfen, die der Spiegel in einem Artikel über die Bedingungen am Set seines neusten Films „Sparta“ formuliert hat (wir berichteten darüber). Seidl soll laut Bericht des Spiegels zugelassen haben, dass Kinder in belastende und traumatisierende Situationen gebracht wurden, in denen sie unvorbereitet mit Nacktheit, Gewalt und Alkoholismus konfrontiert wurden. Ebenso wurde angeprangert, dass den Eltern der Kinderschauspieler gegenüber verheimlicht wurde, dass der Protagonist pädophil ist und sich der Film auf diese Art mit dem Thema Pädophilie auseinandersetzt.

Laut Seidl gehen diese Vorwürfe im Wesentlichen auf Missverständnisse und schlechte Kommunikation zurück. Gleichzeitig gibt Seidl allerdings viele der Vorwürfe (wenn auch indirekt) zu: etwa dass alkoholisierte Schauspieler am Set anwesend waren („Wenn ich einen Darsteller besetze, der gewohnheitsmäßig trinkt, wird er das auch während der Dreharbeiten tun“), oder dass Kinder in unangenehme und belastende Situationen gebracht wurden („Das Kind weiß ja immer, dass ihm keine reale, keine echte Gefahr droht.“). Insbesondere bestätigt Seidl, dass ein Kind in einer Szene sich derart unwohl fühlte, dass es anfing zu weinen – eine Szene, die es scheinbar auch in den finalen Film geschafft hat. Die Vorwürfe seitens der Familien wiederum seien nur entstanden, weil das Filmteam es versäumt habe in den letzten drei Jahren den Kontakt zu den Familien zu halten, und der Spiegel unbegründete Ängste und Verunsicherungen während der Interviews gesät habe (diese Anschuldigungen wiederum wurden von den Journalisten des Spiegels in einer kurzen Stellungnahme zurückgewiesen).

Als Reaktion auf die Vorwürfe wurde nach Veröffentlichung des Spiegel-Berichts die Weltpremiere des Films in Toronto abgesagt, ebenso wurde Seidl der Douglas-Sirk-Preis aberkannt. Bei der neuen Weltpremiere in San Sebastián blieb der Regisseur abwesend, bis zu dem Profil-Interview hat er sich zu den Vorwürfen nur in einer kurzen Stellungnahme geäußert. Der Film selber wiederum hat bisher überwiegend positive Rezensionen erhalten, was ganz unabhängig von den Kontroversen um die Produktionsbedingungen für einen Film, dessen Protagonist ein nicht-übergriffiger Pädophiler ist, durchaus bemerkenswert ist.

In Deutschland feiert der Film nächsten Mittwoch auf dem Filmfest Hamburg Premiere. Mitglieder des „Wir sind auch Menschen“-Teams werden bei der Premiere anwesend sein und anschließend über den Film und die Veranstaltung berichten.


Die Enquetekommission zur Verbesserung des Kinderschutzes und zur Verhinderung von Missbrauch und sexueller Gewalt an Kindern hat diesen Montag ihren Abschlussbericht vorgestellt. Die Kommission war vom niedersächsischen Landtag nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Lügde gebildet worden, um Fragestellungen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch zu erörtern und konkrete Handlungsvoschläge zu erarbeiten.

Der Abschlussbericht verwendet leider eine stellenweise unpräzise Terminologie und enthält insbesondere keine scharfe Definition des Begriffs Pädosexualität, der an einigen Stellen als Synonym für Pädophilie und an anderen Stellen als Bezeichnung für Missbrauchstäter verwendet wird. Ebenso wird auf Basis des inzwischen veralteten ICD-10 argumentiert, dass Pädophilie eine Krankheit sei, was wir grundsätzlich anders sehen.

Dennoch enthält der Bericht auch einige Forderungen zum Themenbereich Pädophilie, die wir für sinnvoll halten und voll unterstützen. Dazu zählt insbesondere:

  • Der Abbau von Vorurteilen in der Gesellschaft und bei Fachkräften. Speziell solle der Unterschied zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch vermittelt werden.
  • Mehr und niedrigschwellige Hilfsangebote für pädophile Menschen, auch in Form von Online-Therapieplattformen
  • Medienkampagnen zur Entstigmatisierung und Wissensvermittlung zum Thema Pädophilie in der Gesamtgesellschaft
  • Vermehrte Forschung zur Wirkung von Pornografie mit kindlich aussehenden Darsteller:innen sowie kindlichen Sexpuppen

Der knapp 140 Seiten lange Bericht kann hier auf der Webseite des Landtags Niedersachsens heruntergeladen werden


In Texas ist letzte Woche eine Englischlehrerin entlassen worden, nachdem sie Aussagen gegen die Stigmatisierung pädophiler Menschen in ihrem Unterricht geäußert hat. Darüber berichteten diverse englischsprachige Medien, unter anderem das US-Nachrichtenportal NBC News. Der Fall hat Aufmerksamkeit erzeugt, nachdem ein Videoclip mit ihren Aussagen auf TikTok veröffentlicht wurde.

In dem Video sagt die Lehrerin unter großen Protest der Schüler:innen, dass der Begriff „Pädophil“ durch den weniger stigmatisierenden Begriffs MAP (Minor Attracted Person) ersetzt werden sollte. Das Video ist gerade einmal 15 Sekunden lang, ihre Äußerungen daraus können damit in ihrer Gesamtheit hier wiedergegeben werden (Übersetzung von uns).

Hört auf, sie so zu bezeichnen. Ihr dürft sie nicht so nennen. […] Wir nennen sie nicht so. Wir werden sie als „MAPs“ bezeichnen, Minor Attracted Persons. Verurteilt keine Menschen, nur weil sie Sex mit Fünfjährigen haben wollen!

Aussagen einiger ihrer Schüler:innen zu Folge sind die Sätze aus dem Kontext gerissen und waren eigentlich als pädagogische Taktik gedacht, um ihre Schüler:innen dazu herauszufordern, gegen scheinbar „absurde“ Positionen zu argumentieren. Ihre provokante Formulierung („nur weil sie Sex mit Fünfjährigen haben wollen“) scheint diese Interpretation zu stützen. Dies ist für sich genommen schon schlimm genug – schließlich ist es nicht ausgeschlossen, dass sich in ihrer Klasse auch pädophile Schüler:innen befinden könnten, für die es äußerst belastend ist, wenn die ganze Klasse für ihre Verurteilung und Ablehnung argumentieren soll.

Noch erschreckender ist es allerdings, dass ein 15-Sekunden-Clip mit einer Aussage, die sich (scheinbar) für eine humanere Behandlung pädophiler Menschen ausspricht ausreicht, um eine 30-jährige Karriere von jetzt auf gleich zu beenden. Nicht nur das, auf diversen Nachrichtenportalen wird die Lehrerin mit vollem Name sowie Bildern von ihr, ihrem Mann und ihren zwei Enkelkindern bloßgestellt. Entsprechend kursieren auf Twitter bereits zahlreiche Mord- und Gewaltandrohungen gegen sie und gegen pädophile Menschen im Allgemeinen – allem Anschein nach von Nutzern, die davon ausgehen, dass sie ihre Aussagen ernst gemeint hat.

Der Fall erinnert an die Kontroverse um Dr. Allyn Walker, der im November letzten Jahres von xies Stellung als Professor für Soziologie und Strafrecht an der Old Dominion University zurückgetreten ist. Dr. Walker war zuvor massiv bedroht und unter Druck gesetzt worden, nachdem xies Forschung zum Teil falsch dargestellt wurde und vor allem xies Aussagen, dass nicht alle pädophile Menschen Straftäter seien und Verachtung verdienen, empörte Proteste Tausender Student:innen ausgelöst hat.


Wir haben ja bereits über den Podcast „Kein Täter Werden - Ein Leben mit Pädophilie“ berichtet und einen ersten Eindruck dazu veröffentlicht. Dabei haben wir angenommen, dass, da die Folgen bereits fertig gedreht sind, es zu spät wäre, sich dorthin zu wenden um uns selber dazu zu äußern. In einer späteren Folge hatte Nico Walz dann allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass man sich bei Fragen oder Anmerkungen gerne bei ihm melden könne und hat auch noch nachträglich einige der Leute die sich gemeldet haben, zu Wort kommen lassen. Wir haben uns deshalb kurzerhand entschlossen dieses Angebot ebenfalls anzunehmen. Dabei haben wir ihm unsere Kritikpunkte per Mail genannt, woraufhin wir eine freundliche Antwort erhalten haben, und eingeladen wurden, uns dazu in einem kleinen Interview mit ihm zu äußern. Das Gespräch war angenehm und unser Interviewpartner recht aufgeschlossen - Wir sind jedenfalls sehr froh, diese Chance erhalten und genutzt zu haben.

Die Folge könnt ihr euch hier anhören: Sirius und Ruby sind pädophil und führen trotzdem eine glückliche Ehe


Auf dem International Film Festival in Toronto, Kanada, findet nächste Woche die Weltpremiere eines weiteren Filmes statt, der sich mit dem Thema Pädophilie beschäftigt. Der Film „Sparta“ des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl ist die Fortsetzung des auf der diesjährigen Berlinale gezeigten Films „Rimini“. Aus der Inhaltszusammenfassung des Filmfestivals geht hervor, dass sich der Film die Geschichte eines Mannes folgt, der mit seiner Freundin nach Rumänien auswandert und sich dort mit seiner bisher unterdrückten Pädophilie auseinandersetzen muss.

Noch vor der Weltpremiere umkreisen den Film allerdings negative Schlagzeilen und schwere Vorwürfe. Einem ausführlichen Bericht des Spiegels zu Folge waren die Dreharbeiten durch rücksichtsloses Ausnutzen der minderjährigen rumänischen Schauspieler gekennzeichnet. So seien die Eltern der Kinder gar nicht über das Thema des Films aufgeklärt und unter Vorwänden vom Filmset ferngehalten worden. Kinder seien ohne Vorbereitung oder psychologische Betreuung in belastende und traumatisierende Situationen gebracht worden, in denen sie mit Gewalt, Nacktheit und Alkoholismus konfrontiert wurden. In einigen Fällen sollen die minderjährigen Schauspieler sogar gewaltsam dazu gezwungen worden sein, sich vor laufender Kamera auszuziehen.

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, handelte es sich bei den Dreharbeiten um nichts anderes als Kindesmissbrauch. Womit aus dem Film im Wortsinn wohl eines werden würde: eine Missbrauchsdokumentation. Seidl selber streitet die Vorwürfe in einer Stellungnahme ab und bezeichnet sie als „unzutreffende Darstellungen, Gerüchte oder aus dem Kontext gerissene Vorkommnisse am Set.“


Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, hat Verbänden und den Ministerien einen umfangreichen Maßnahmenkatalog gegen Queerfeindlichkeit vorgelegt. Der Maßnahmenkatalog ist derzeit nicht öffentlich einsehbar, laut der Webseite Schwulissimo hat Lehmann allerdings einige der Inhalte gegenüber der dpa bereits offenbart. So soll das Maßnahmenpaket neben Aufklärungsprojekte an Schulen und einem Gremium für geschlechtsneutrale Sprache insbesondere auch Antidiskriminierungsmaßnahmen und die Erweiterung des Gleichbehandlungsartikels im Grundgesetz um den Aspekt der sexuellen Identität enthalten.

Es bleibt abzuwarten, inwiefern diese Maßnahmen auch Auswirkungen auf das Leben pädophiler Menschen haben werden. Zu befürchten ist leider, dass Pädophilie explizit ausgeschlossen ist. Schon heute ist etwa die Antidiskriminierungsstelle des Bundes der Ansicht, dass der Begriff „sexuelle Identität“ Pädophilie nicht mit einschließt, und begründet dies mit der (falschen) Annahme, dass pädophile Neigungen grundsätzlich unter Strafe stehen würden. Auch aus anderen Gleichstellungsmaßnahmen, wie etwa dem 2020 beschlossenem Verbot der Werbung für Konversionstherapien, wurden Pädophile ohne stichfeste Begründung explizit ausgeschlossen.

Dieser arbiträre Ausschluss pädophiler Menschen aus Antidiskriminierungsmaßnahmen wird häufig mit Falschaussagen und Fehlinformationen begründet, wie etwa, dass Pädophilie eine Krankheit oder schon grundsätzlich strafbar sei. Daher kann gar nicht oft genug betont werden, dass Pädophile keine Tat und eine reine pädophile Neigung damit natürlich genauso wenig strafbar wie eine homosexuelle Neigung ist. Pädophile Menschen haben genauso Schutz vor Diskriminierung und Hasskriminalität verdient, wie andere queere Menschen auch.

Über die Umsetzung des Katalogs soll noch im Laufe dieses Jahr abgestimmt werden.


Dieses Wochenende findet auf dem Fünf Seen Filmfestival die Premiere des Films „Yellow is the Sky“ statt. Das Zweitwerk der Regisseurin Laura Kansy beschäftigt sich der Beschreibung auf ihrer Webseite zu Folge mit dem Thema Pädophilie und dem Umgang damit. Die durchaus interessant klingende Inhaltszusammenfassung liest sich wie folgt (Übersetzung aus dem Englischen von uns):

Ein Ateliergebäude, Greenscreen-Wände, eine Familie beim Abendessen und ein Vater, der seiner Partnerin etwas erzählen will. Er fühlt sich sexuell zu Kindern hingezogen. Es ist Sommer. Draußen zirpen die Grillen in der Nacht. Der Mann, Philip, ist erleichtert es endlich jemanden erzählt zu haben. Und seine Frau Anna fühlt sich, als ob ihr der Boden unter den Füßen weggerissen wurde.

Und während draußen neuer Rasen im Garten verlegt wird, treten weitere Figuren auf: Da ist Xaver, der sich in einem Jungen in seiner Nachbarschaft verliebt hat, und Mereille, die von dem Verhalten ihres Freundes schockiert ist, und Thomas, der sich aus Scham mehr und mehr von seinen Freunden distanziert.

Was heißt es, mit Pädophilie zu leben? Als Betroffener, als Partnerin? Als Vater und als Freund? Was bedeutet es für einen Freundeskreis und deren Alltag? Und während Antworten gesucht werden, bleiben die Greenscreen-Wände leer.

Der Film wird noch heute Abend in Gauting sowie morgen Abend in Seefeld gezeigt. Interessierte können hier Karten erwerben: Seite des FSFF.

Da wir selber nicht anwesend sein können, sind wir für Eindrücke und Kritiken zu diesem Film sehr dankbar. Meldet euch gerne über das Kontaktformular. Filmkritiken können auch in Form eines Gastbeitrags auf dem Weblog “Kinder im Herzen eingereicht werden.