Aktuelles

Die Nominierung wollten wir uns zum Anlass nehmen, noch einmal auf den Podcast aufmerksam zu machen. Wir haben zum damaligen Zeitpunkt eine News dazu verfasst, die man hier nachlesen kann.

Nicht enthalten war der Hinweis, dass Sirius und Rubricappula aus unserem Team sich bei Donau 3 FM gemeldet und es dadurch zu einem kleinen Gastauftritt in eine spätere Podcastfolge geschafft haben. Diesen kann man sich aktuell z.B auch auf YouTube noch anhören.


Vergangenen Dienstag lief im RTL-Magazin EXTRA eine Reportage mit dem reißerischen Titel „Wie Pädophile Kinderbilder im Netz missbrauchen“. Aufmacher der Reportage war die Beobachtung, dass Kinderbilder, die ursprünglich beispielsweise auf Vereinswebseiten hochgeladen wurden, in einem russischen Bilderforum wiedergefunden werden konnten, wo sie von (vermeintlich) pädophilen Menschen anzüglich kommentiert werden.

Leider hat es RTL nicht geschafft, an das Thema mit dem notwendigen Feingefühl heranzugehen. Stattdessen verfällt die Reportage sehr schnell in eine einseitige emotionalisierte Hetze gegen pädophile Menschen, die, untermalt von bedrohlicher Musik, als widerlich und gefährlich dargestellt werden. Teil der Reportage ist etwa ein „Seminar“ einer Gruppe pädophiler Männer, in die sich ein RTL-Reporter undercover eingeschleust hat. Über die Hintergründe und Ziele dieses Seminars bleibt das meiste allerdings im Unklaren, stattdessen werden einzelne kurze Szenen eines Gedächtnisprotokolls von Schauspielern nachgespielt. Die Szenen werden von der Kamera in extremen Close-ups filmt, um gezielt Abscheu und Ekelgefühle zu wecken.

Besonders kritisch zu bewerten ist außerdem der Umgang mit Georg von Schicksal und Herausforderung e. V., der dem Sender für den Beitrag ein Interview gegeben hat. Aus dem mehrstündigen Interview wurden für die Reportage lediglich wenige kurze Passagen verwendet, die sich vor allem mit seinen weit in der Vergangenheit liegenden Straftaten und konkreten Fragen zu seinen Präferenzen beschäftigten. Auch hier wurden letztere vor allem so inszeniert, dass sie emotionale Abwehrreaktionen provozieren. Gleichzeitig wird weder sein Engagement für die Selbsthilfe erwähnt, noch findet seine Meinung zum eigentlichen Thema der Reportage Platz. Seine Rolle innerhalb des Beitrags ist damit nicht die eines Experten auf Augenhöhe, stattdessen wird er bloßgestellt und seine Expertise durch gezielte Schnitte explizit ausgelöscht. RTL erstellt damit ein Paradebeispiel dafür, wie man für Medienbeiträge nicht mit Pädophilen umgehen sollte.

Auch davon abgesehen gibt es einige Punkte, die wir an der Reportage scharf kritisieren. So werden etwa pädophile Menschen, die sich legale Kinderbilder im Internet ansehen, pauschal als „Täter“ bezeichnet, die Bilder „missbrauchen“. Dies stellt Pädophile, die sich völlig legal verhalten, sprachlich und moralisch auf eine Stufe mit aktiven Missbrauchstätern. Zudem wird zum Schluss fast schon beiläufig ein strafrechtliches Verbot des Äußerns sexueller Fantasien für Pädophile gefordert. Dies wäre ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit pädophiler Menschen und ein großer Schritt in Richtung Gedankenverbrechen. Sexuelle Fantasien müssen – auch für Pädophile – vor strafrechtlicher Verfolgung unbedingt geschützt bleiben. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit eines solchen Verbots noch nicht einmal aus der Reportage selber, da alle Bilder, die unrechtmäßig weiterverbreitet worden waren auch ohne weitere Verbote erfolgreich von der Bilderplattform entfernt werden konnten.

Dies ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass RTL einen problematischen Beitrag zu dem Themenbereich veröffentlicht, und bei Pädophilen Unschuldsvermutung und Persönlichkeitsrechte missachtet. Schon 2010 erschien auf dem Tochtersender RTL II die kontroverse Serie „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder!“, in welcher der Sender zusammen mit der umstrittenen Kinderschutzorganisation Innocence in Danger, die auch in der aktuellen Reportage medienwirksam platziert wird, Männer in die Falle lockte, die sexuelle Kontakte zu Minderjährigen suchten. Dabei wurde immer wieder der bedrohlichen wirkende Merksatz „Pädophile lauern überall“ in die Köpfe der Zuschauer gehämmert. Die Sendung wurde unter anderem von der damaligen Justizministerin scharf kritisiert, die dadurch sogar den Rechtsstaat gefährdet sah. 2014 wiederum infiltrierte RTL ein weiteres Treffen einer Pädophilengruppe, und übergab sie ohne konkrete Hinweise auf illegales Verhalten in einer medialen Großaktion der Polizei. Die Teilnehmer wurden wahlweise als Missbrauchstäter oder „Kinderporno-Ring“ bezeichnet – dass schon vor Veröffentlichung des Beitrags sämtliche Ermittlungen von der Polizei eingestellt wurden, ist gezielt verschwiegen worden. Und 2018 hat RTL im Mittagsmagazin Punkt 12 auf unverantwortliche Weise einen vermeintlich pädophilen Menschen gezeigt, was zur lebensgefährlichen Verletzung eines unbeteiligten Mannes durch einen Lynchmob führte.

Der aktuelle Beitrag ist also der neuste Eintrag in einer langen Liste von unethischen und journalistisch fragwürdigen Beiträgen des Senders, die sich mit dem Thema Pädophilie direkt oder indirekt beschäftigen.


Im Angesicht massiver Stigmatisierung ist der einzige Schutz, den pädophile Menschen haben, dass ihre Sexualität nicht offen sichtbar ist. Viele Formen von Diskriminierung laufen dadurch gewissermaßen ins Leere: wenn man Pädophile nicht erkennen kann, ist es auch nicht möglich, Pädophile gezielt aus gesellschaftlichen Bereichen auszuschließen.

Es gibt Forscher:innen, die aktiv daran arbeiten, dies zu ändern. In einem kürzlich veröffentlichten Interview in der WELT (Paywall) erzählt Sozial- und Rechtspsychologieprofessor Rainer Banse von Screening-Verfahren, die er mit seinem Team entwickelt hat, um pädophile Menschen auch dann zu erkennen, wenn sie sich nicht selbst zu erkennen geben wollen. Diese Verfahren sollen verwendet werden, um pädophile Menschen gezielt aus Bewerbungsverfahren für Berufe mit Kindern auszusieben.

Banse selbst gibt zu, dass diese Tests signifikante Fehlerraten haben: 25 % der Menschen, die als gefährlich markiert wurden, waren nicht übergriffig, und gleichzeitig ist jeder vierte Mensch, der als unbedenklich eingestuft wurde dennoch übergriffig geworden.

Trotzdem soll es mindestens eine (nicht näher benannte) Organisation geben, die mit Banse zusammenarbeitet, um mit seinen Tests im Bewerbungsprozess vermeintlich pädophile Kandidaten1 auszufiltern. Bewerber, denen aufgrund eines positiven Testergebnisses kein Jobangebot gemacht wird, werden über ihr Testergebnis nicht informiert. Weder Banse noch die WELT-Autorin Nike Heinen äußert dabei ethische Bedenken.

Testverfahren zur Erkennung der sexuellen Orientierung eines Menschen, um ihn damit gezielt aus Berufen auszuschließen, sind eine massive und invasive Form von Diskriminierung. Auch pädophile Menschen sind nicht prädestiniert dazu, Kinder zu missbrauchen, und gleichzeitig sind die meisten Missbrauchstäter:innen nicht pädophil (was Banse selber auch anmerkt). Pädophile Menschen pauschal aus Berufen mit Kindern ausschließen zu wollen ist also nicht nur diskriminierend, sondern würde noch nicht einmal den meisten Kindesmissbrauch stoppen.

Banse selber erklärt in dem Interview, dass Pädophile in der gesellschaftlichen Rangordnung „ganz unten“ stehen. Umso unverständlicher ist es, dass er aktiv an Methoden forscht, die Pädophile noch vulnerabler gegen Diskriminierung und Marginalisierung machen. Es existiert schließlich ein großes öffentliches Interesse daran, pädophile Menschen zu identifizieren, um ihnen gesellschaftliche Partizipation zu verweigern und sie aus sozialen Bereichen auszuschließen – und solche Tests haben das Potenzial, dies tatsächlich realisierbar zu machen.

Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass es bei der Verwendung in Bewerbungsverfahren bleiben wird. Banse diskutiert etwa auch die Anwendung seiner Tests zum Ausschluss von Menschen aus bestimmten ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es ist denkbar, dass Pädophile am Ende aus allen Bereichen ausgeschlossen werden, in denen Kinder präsent sein können – also fast allen. Dadurch werden Pädophile noch mehr marginalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Gleichzeitig steigt die Gefahr für Hasskriminalität und Gewalt gegen Pädophile, wenn diese unfreiwillig identifiziert werden können.

Umso wichtiger ist es, dass sich Forscher:innen dieser Risiken bewusst sind und sie in ihrer Arbeit berücksichtigen.


  1. Banse spricht in dem Interview nur von Männern, bei denen die Tests angewendet werden. 


Wie angekündigt wurde am Donnerstag die fast 900 Seiten umfassende ForuM-Studie zu Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirche veröffentlicht.

In der ganzen Studie wird das Thema Pädophilie fast gar nicht erwähnt. Dies ist erfreulich und zeigt, dass den Autor:innen eine saubere Differenzierung zwischen Missbrauch und Pädophilie weitestgehend gelungen ist.

Ein Teilprojekt von Dr. Safiye Tozdan und Prof. Peer Briken vom UKE Hamburg sah vor, durch Interviews mit Beschuldigten unter anderen auch den Anteil Pädophiler unter den Täter:innen abzuschätzen. Diese Analyse konnte mangels Teilnehmer:innen allerdings am Ende nicht durchgeführt werden. In einem anderen Teilprojekt wurden Akten von Beschuldigten analysiert, mit dem Ergebnis, dass lediglich bei etwa 5 % ein Hinweis auf eine Pädophilie gefunden werden konnte. Da psychologische Untersuchungen allerdings nur bei einem sehr geringen Anteil der Beschuldigten durchgeführt wurden, lässt sich daraus nicht ableiten, wie hoch der Anteil Pädophiler insgesamt war.

Auch die Reaktionen und die mediale Berichterstattung verzichtete größtenteils darauf, die Täter:innen als Pädophile zu bezeichnen. Dies ist durchaus bemerkenswert, da bei ähnlichen Studien in der katholischen Kirche auch in seriösen Medien Erzählungen von „pädophilen Priestern“ weit verbreitet sind. Eine Ausnahme bildet lediglich der Landesbischof von Braunschweig Dr. Christoph Meyns, der in einer Stellungnahme versuchte sich mit der Aussage zu rechtfertigen, dass „Kindesmissbrauch oder Pädophilie […] die absolute Ausnahme unter den bisher bekannt gewordenen Fällen“ seien, und damit Pädophilie mit Missbrauch gleichsetzte. Die Stellungnahme wurde vom evangelischen Pressedienst wörtlich übernommen, und landete dadurch unter anderem bei der Welt, der Süddeutschen und der FAZ.

Ob unsere Präventionskampagne auch einen Anteil daran hatte, dass der Großteil der Berichterstattung nicht gegen Pädophile stigmatisiert hat, lässt sich leider nicht sagen. Wir wissen von mehreren Teilnehmer:innen, dass im Rahmen der Aktionswoche insgesamt Dutzende Pressestellen angeschrieben wurden, soweit wir wissen sind aber alle Anfragen unbeantwortet geblieben.


Am 25. Januar wird eine Studie zu Missbrauchsfällen in der Evangelischen Kirche erscheinen. Dabei wird es auch um den kontroversen Sexualwissenschaftler Helmut Kentler gehen, der in Verbindung zu diversen historischen Aktivistengruppen steht, die Sex mit Kindern legalisieren wollten und dabei teils signifikanten gesellschaftlichen Einfluss erlangt haben. Das bedeutet leider auch, dass voraussichtlich viele Medienberichte veröffentlicht werden, die Missbrauch mit Pädophilie gleichsetzen. In der Vergangenheit wurde in der Berichterstattung zu dem Thema oft jedem pädophilen Menschen unterstellt, die Legalisierung von Kindesmissbrauch erreichen zu wollen.

Um zu zeigen, dass dies eben nicht auf alle pädophile Menschen zutrifft, wollen wir eine mediale Aufklärungsaktion starten. Dafür brauchen wir möglichst viele Menschen, die bereit sind sich zu beteiligen, mit Kommentaren, Leser:innenbriefen und Stellungnahmen zu Wort melden und zeigen, dass bei weitem nicht alle Pädophile missbrauchsverharmlosende Ideologien unterstützen. Zur Unterstützung haben wir einen Textvorschlag erstellt, den wir zusammen mit weiteren Informationen auf unserer Kampagnenseite zur Verfügung stellen.

Beteiligen könnt ihr euch auch im Fediverse unter dem Hashtag #WirSindNichtKentler. Außerdem wird es am Tag der Veröffentlichung der Studie eine Sondersitzung des Chats p-punkte.de geben, um sich über die Ergebnisse auszutauschen und gegebenenfalls weitere Ideen zu sammeln (vorige Anmeldung erforderlich). Wir werden während der Aktion selber laufend über unseren Mastodon-Account @wsam@paravielfalt.zone berichten.


In Hessen kam es vor einigen Tagen zu Durchsuchungen von 53 Wohnungen durch die Polizei, bei denen aufgrund des Verdachts des Besitzes von Kinderpornografie insgesamt 540 Datenträger beschlagnahmt wurden. Fünf Personen wird auch sexueller Kindesmissbrauch vorgeworfen. Bei einer Person wurde hierbei zudem eine Sexpuppe mit kindlichem Erscheinungsbild gefunden. Ein Umstand, auf den sich natürlich die BILD, aber auch diverse anderen Zeitungen sofort gestürzt haben. In Überschriften von entsprechenden Artikeln heißt es unter anderem „Kindersexpuppe bei hessenweiter Razzia sichergestellt“ oder „Polizei findet Kinder-Sexpuppe bei Pädophilem“. Wir erinnern uns nochmal, eine Kindersexpuppe ist ein reines Objekt ohne menschliche Empfindungen. Es wird der Eindruck erweckt, nicht Besitz/Verbreitung von Kinderpornografie oder sexueller Kindesmissbrauch (Dinge, die tatsächlich Kindern schaden) werden hier als schlimm angesehen, sondern vielmehr die sexuelle Neigung zu Kindern, hier repräsentiert durch die erwähnte Sexpuppe. Es scheint zudem, als sollte durch das Hervorheben dieses einen Falls, bei dem ein (mutmaßlicher) Straftäter eine solche Puppe besessen hat, auch das Verbot jener Puppen nachträglich rechtfertigt werden. Allerdings handelt es sich hierbei um einen Einzelfall, der nichts darüber aussagt, ob die fragliche Personwegen dieser Puppe straffällig wurde und vielleicht im Gegenteil trotz dieser.


Nach langem Zögern hat das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann einen Vorschlag für eine Minderung der Mindeststrafen bei Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie vorgeschlagen. Unter dem Motto „Verbrechen statt Vergehen“ wurden zuvor die Strafmaße von der Vorgängerregierung 2021 im Rahmen einer Gesetzesreform, bei der auch Sexpuppen mit kindlichem Aussehen unter Strafe gestellt wurden, massiv erhöht. Dies führte in der Praxis zu zahlreichen Problemen, insbesondere einer Überlastung der Strafverfolgungsbehörden mit Bagatellfällen, sowie einer zwingenden strafrechtlichen Verfolgung von Menschen, die Taten aufklären wollen und Minderjährigen, die sich einvernehmlich Bilder schicken.

Bereits im Herbst vergangenen Jahres forderten die Landesjustizminister:innen daher eine Entschärfung der Strafbarkeit. Ein Jahr später stellt Buschmann nun einen Gesetzesentwurf vor, der vorsieht, die Mindeststrafen bei Verbreitung auf sechs Monate, und bei Besitz auf drei Monate Haft zu reduzieren und die Straftaten damit von einem Verbrechen wieder zu einem Vergehen herabzustufen. Dies ermöglicht es, in weniger schweren Fällen ein Verfahren einzustellen und von einer Verfolgung abzusehen.

Kritisch ist der Entwurf darin zu bewerten, was als weniger schlimme Fälle bewertet wird. Im Begründungstext steht dazu, dass es um Fälle geht, in denen nicht aus „pädokrimineller Energie“ gehandelt wird, und in denen die Täter:innen „in der Regel nicht pädophil“ sind. Hier wird also eine Unterscheidung zwischen Täter:innen, die pädophil sind („Pädokriminelle“), und solchen, die es nicht sind, getroffen. So begrüßte auch Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann den Gesetzesentwurf, da er es ermöglichen würde, die Ressourcen bei der Strafverfolgung auf Taten „mit nachweislich pädophilem Hintergrund“ zu konzentrieren.

Wenn der Gesetzesentwurf in der jetzigen Fassung beschlossen wird, besteht daher die Gefahr, dass dadurch die Diskriminierung pädophiler Menschen vor dem Gesetz vorangetrieben wird. Gleichheit vor dem Gesetz muss für alle Menschen gelten, es darf nicht sein, dass am Ende pädophile Täter:innen alleine aufgrund ihrer Sexualität für die gleichen Taten härter bestraft werden, als nicht-pädophile Täter:innen.


Im Frühjahr 2021 suchte ein Studienteam um Sara Jahnke nach pädophilen Teilnehmer:innen für ein Forschungsprojekt zu den Themen Eigenbezeichnungen, Erfahrungen mit Therapie und Stigma. Die Studie ist inzwischen abgeschlossen, und das Forschungsteam hat uns einen Bericht der Ergebnisse zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Die wesentlichen Ergebnisse sind unten zusammengefasst, wer Englisch beherrscht kann sich den vollständigen Bericht außerdem hier herunterladen.


1) Die Teilnehmer akzeptierten ein breites Spektrum von Bezeichnungen für sich selbst.

Alle vorgestellten Labels wurden als akzeptabel eingestuft. Einige Bezeichnungen waren beliebter als andere: MAP wurde am höchsten bewertet, gefolgt von pädophil/hebephil. Die Bezeichnungen pädophile/hebephile Person und Person mit Pädophilie/Hebephilie erhielten vergleichsweise niedrige Werte.

2) Das Offenbaren einer sexuellen Neigung zu Kindern gegenüber einem Therapeuten ist nur dann mit besseren Ergebnissen verbunden, wenn der Therapeut unterstützend reagiert.

Von den Teilnehmern mit früheren, nicht obligatorischen (d.h. nicht im Rahmen einer rechtlichen Behandlungsauflage erfolgten) Behandlungserfahrungen hatte etwa ein Drittel ihre sexuelle Neigung gegenüber ihrem Therapeuten nicht offenbart. Die Offenlegung einer sexuellen Neigung zu Kindern war nicht mit besseren oder schlechteren Behandlungsergebnissen verbunden. Allerdings waren die Teilnehmer, die ihre sexuelle Neigung offenlegten, mit der Arbeitsbeziehung zu ihrem Therapeuten zufriedener als diejenigen, die sie nicht offenlegten.

3) Die Beziehung zwischen der Erfahrung der Stigmatisierung und der Motivation, eine Behandlung zu suchen, ist komplex.

Betroffene haben häufig Angst davor, negativ behandelt zu werden, wenn ihr stigmatisiertes Merkmal ans Licht kommt (antizipiertes Stigma). Andere verinnerlichen negative gesellschaftliche Vorstellungen über sich selbst und sehen sich selbst als zutiefst defizitär an (internalisiertes Stigma). Diese Erfahrungen stehen in unterschiedlichem Zusammenhang mit der Motivation, therapeutische Hilfe zu suchen. Einerseits war die verinnerlichte Stigmatisierung mit einer höheren Motivation verbunden, im Bedarfsfall therapeutische Hilfe zu suchen. Andererseits steht die Erwartung, dass Therapeuten bei einer Offenbarung negativ reagieren, in Zusammenhang mit einer geringeren Motivation, Hilfe zu suchen. Eine allgemeine antizipierte Stigmatisierung stand nicht im Zusammenhang mit der Bereitschaft, sich in therapeutische Behandlung zu begeben.


Vor etwa einem Monat veröffentlichte der Spiegel unter dem tendenziösen Titel »Das kann sich fast wie eine erneute Vergewaltigung anfühlen« einen Artikel über die Verwendung generativer künstlicher Intelligenz zur Generierung kinderpornografischer Materialien. Der Artikel verurteilt diese Technologie einseitig, stellt die KI-gestützte Generierung schon im Titel mit realen Vergewaltigungen auf eine Stufe und ignoriert dabei mögliche Chancen und Optionen für die ethische Erstellung von Abbildungen, die von pädophilen Menschen genutzt werden könnten, ohne dass dabei echte Kinder in Mitleidenschaft gezogen werden.

In dem Artikel findet sich auch eine Stellungnahme von Maximiliam von Heyden, Pressesprecher des Präventionsprojekts “Kein Täter Werden. Von Heyden schließt sich der einseitigen Verurteilung der Technologie an, vertritt dabei Thesen, die keine wissenschaftliche Grundlage haben und verbreitet die wissenschaftsfeindliche Ansicht, dass eine Erfoschung des Themas „aus ethischen Gründen“ unmöglich sei und lässt dabei die Lebensrealität und die sexuelle Selbstbestimmung pädophiler Menschen komplett unbeachtet.

Wir haben kurz nach Veröffentlichung des Artikels eine kritische Stellungnahme an von Heyden verschickt. Da wir bisher keine Antwort bekommen haben, veröffentlichen wir die Mail hier als offenen Brief.


Sehr geehrter Herr von Heyden,

mit einer gewissen Enttäuschung haben wir Ihre Stellungnahme im kürzlich veröffentlichten SPIEGEL-Artikel zu der Frage gelesen, ob künstlich generierte kinderpornografische Aufnahmen auch positive Effekte haben kann. Unserer Ansicht nach lässt die Stellungnahme einige Aspekte unerwähnt, verkürzt damit die Debatte und birgt nicht zuletzt die Gefahr, dass Potenziale für einen besseren Kinderschutz unerforscht bleiben.

Das Thema generative künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit kinderpornografischen Abbildungen ist ziemlich komplex und vielschichtig, und muss deswegen differenziert betrachtet werden. Im Artikel werden einige problematische Verwendungen künstlicher Intelligenz erwähnt: KIs, die mit realen Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern trainiert wurden, oder Deepfakes, die mit Bildern real existierender Kindern generiert werden, um diese in sexualisierte Szene zu transformieren.

Daneben gibt es aber auch die Möglichkeit, fiktive Kinderpornografie zu generieren, bei deren Produktion an keiner Stelle reale Kinder involviert werden, beispielsweise über KIs, die anhand von Zeichnungen und virtuellen Darstellungen trainiert werden. Diese Möglichkeit findet im SPIEGEL-Artikel bedauerlicherweise keine Erwähnung, stattdessen wird jegliche Form KI-generierter Kinderpornografie implizit sogar auf eine Stufe mit realer Vergewaltigung gestellt.

In Ihrer Stellungnahme fehlt uns die Abwägung der sexuellen Selbstbestimmung pädophiler Menschen, die keinen Kindern schaden wollen. Auch wir haben ein Recht darauf, unsere Sexualität auszuleben, solange wir damit keinen anderen Menschen Schaden zufügen. Dies ist bei fiktiven Darstellungen und virtuellen generierten Abbildungen nicht der Fall, für eine indirekte Gefährdung fehlt bis heute jeglicher empirischer Beweis. Die klinische Erfahrung bei der Arbeit mit (potenziellen) Täter:innen kann empirische wissenschaftliche Daten nicht ersetzen, schon alleine, da diese keinen repräsentativen Querschnitt der Population pädophiler Menschen bilden. Selbst wenn in Einzelfällen derartige Abbildungen eher problematisch sind, können sie in anderen Einzelfällen wiederum hilfreich sein. Eine einseitige Verurteilung generativer KI macht aber jegliche individuelle Abwägung unmöglich.

Verwundert waren wir an dieser Stelle auch über Ihre Aussage, dass die Wirkung fiktiver Materialien ethisch nicht erforschbar sei. Erst im Juli wurde von Forscher:innen der Nottingham Trent University und der State University of New York ein Programm zur Erforschung dieser Frage vorgestellt (https://www.researchgate.net/publication/372783707_Fantasy_Sexual_Material_Use_by_People_with_Attractions_to_Children). Die Autor:innen, die zum Teil schon länger in dem Bereich forschen, weisen auf die ethischen Schwierigkeiten hin, halten sie aber nicht für unüberwindbar. In verwandten Bereichen gibt es solche Forschung schon, wobei dort kein Zusammenhang zwischen Konsum fiktiver Materialien und sexueller Aggression gefunden werden konnte. Bei der Frage nach der Wirkung kindlicher Sexpuppen gibt es inzwischen ebenfalls erste Forschungsergebnisse, die Ihrer Hypothese einer Risikosteigerung und Eskalation deutlich widersprechen (z. B. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/00224499.2022.2031848). Sicherlich haben diese Ansätze, wie alle Studien, auch ihre Limitierungen und Beschränkungen. Aber die Behauptung, Forschung ließe sich überhaupt nicht ethisch vereinbar betreiben unterstützt eine wissenschaftsfeindliche Herangehensweise an das Thema, die mögliche Forschung behindert und zu vorschnellen gesetzlichen Verboten führen kann, die durchgesetzt werden ehe die Folgen überhaupt ansatzweise verstanden werden können – wie es zuletzt in Deutschland 2021 mit dem Verbot kindlicher Sexpuppen geschehen ist.

Des Weiteren gibt es auch im Kontext des Kinderschutzes ernst zu nehmende Bedenken, dass die Kriminalisierung fiktiver Abbildungen eher kontraproduktiv ist. Unserer Erfahrung aus der Selbsthilfearbeit nach wollen viele pädophile Menschen keinen Kindern schaden, und sind fest in ihrer Überzeugung, sexuelle Kontakte mit Kindern in der Realität zu unterlassen. Das ändert nichts daran, dass sexuelle Grundbedürfnisse trotzdem vorhanden sind. Ethische KI-generierte Bilder können hier eine Alternative für verantwortungsbewusste Menschen sein, um selbstachtsam und moralisch mit eigenen Bedürfnissen umzugehen.

Menschen, die proaktiv nach Alternativen suchen, um niemanden zu schaden, sollten gerade unterstützt und nicht kriminalisiert und als eskalierende Gefahr stigmatisiert werden. Laut einzelnen Forschern ist es durchaus möglich, dass in Einzelfällen Menschen durch den Konsum von Kinderpornografie eher davon abgehalten werden, Hands-On-Delikte zu begehen. Da reale Darstellungen sexualisierter Gewalt immer noch das Leid real existierender Kinder ausnutzen, ist es trotzdem nicht akzeptabel diese Darstellungen zu nutzen. Bei ethischer künstlich generierter Kinderpornografie sieht dies aber anders aus. Es besteht das Potenzial, dass auch eine Nachfrage nach realen Missbrauchsabbildungen gesenkt werden kann.

Ein Wesentlicher Teil Ihrer Argumentation bezieht sich weniger auf die Materialien an sich, sondern an den Kontext, in den sie geteilt werden. Wenn aber eine gesellschaftliche Akzeptanz für rein fiktive Kinderpornografie hergestellt werden könnte, unter der Prämisse, dass diese nur vertretbar ist eben weil sie keine realen Kinder involviert, könnte aber gerade dies die Ansicht bestärken, dass sexuelle Kontakte mit echten Kindern inakzeptabel sind. Eine pauschale und undifferenzierte Problematisierung bis hin zur Kriminalisierung wiederum kann genau das Gegenteil erreichen, nämlich dass Menschen auf der Suche nach ethisch vertretbaren Material in Untergrund-Foren landen, in denen „das Leiden der Opfer nicht berücksichtigt, heruntergespielt oder sogar in Abrede gestellt wird.“

Zusammengefasst möchten wir dafür appellieren, das Thema generativer KI differenziert und ergebnisoffen zu betrachten. Dass es schädliche und problematische Formen generativer KI gibt darf kein Grund sein, diese Technologie pauschal zu verdammen und dabei potenziell positive Anwendungsfälle zu übersehen. Gleichzeitig wünschen wir uns, dass der ewigen Narrative des gefährlichen, in einer Eskalationsspirale gefangenen Pädophilen ein humanisierendes Bild entgegengesetzt wird, dass es eben auch Pädophile gibt, die niemanden ein Leid zufügen wollen und nach ethischen Alternativen für einen gesunden Umgang mit ihrer Sexualität suchen.

Mit freundlichen Grüßen
Sirius
Im Namen des „Wir sind auch Menschen“ - Teams


Am 17.09. erschien im „Spiegel“ ein Artikel über eine Gruppe, die sich selbst als „Pedo Hunters“ bezeichnet. Diese hatten sich im Internet als 14-jährige Mädchen ausgegeben, mit Männern geschrieben und anschließend zu Treffen verabredet. Bei diesen Treffen hatten sie die Männer beschimpft, geschlagen, mit einer Schusswaffe bedroht, ausgeraubt und ihre Taten dabei gefilmt. Jetzt stehen sie deshalb vor Gericht.

Bereits die Überschrift des Artikels wirft einige Fragen auf: „Eine Gang jagt Männer, die sie der Pädophilie verdächtigt“. Pädophilie ist eine sexuelle Präferenz, die sich niemand ausgesucht hat und die nicht mit sexuellem Kindesmissbrauch gleichzusetzen ist. Menschen aufgrund einer angeborenen Eigenschaft zu jagen, ist eine Praktik der Nationalsozialisten und hat im Deutschland des 21. Jahrhunderts nichts zu suchen. Hinzu kommt, dass der Begriff Pädophilie schon deshalb fehl am Platz ist, da dieser sich auf vorpubertäre Kinder bezieht, zu denen 14-jährige Mädchen nicht mehr gehören. Auch sexuelle Handlungen mit Jugendlichen diesen Alters sind in Deutschland nicht grundsätzlich verboten. Der Artikel weckt an einigen Stellen den Eindruck als sei die Vorgehensweise der „Pedo Hunters“ zwar zu extrem, aber in ihren Grundzügen durchaus gerechtfertigt. So wird der Leser durch Formulierungen wie „Vater eines Kindes chattet mit einer 14-jährigen“ (die in Wirklichkeit ja gar nicht existierte) emotionalisiert und es stellt sich ein wenig die Frage, wer hier als der eigentliche Schuldige angesehen wird.

Schlussendlich zeigt dieser Fall, wohin der Hass gegenüber Pädophilen führen kann. Zunehmend breitet dieser sich auch über das Internet hinaus aus und führt zu gewalttätigen Übergriffen auf (vermeintlich) pädophile Menschen. Es bleibt zu hoffen, dass ein hartes Urteil in diesem Fall mögliche Nachahmungstäter abschreckt.

Hier geht es zum Artikel des Spiegels.