News vom 26.11.2024
In diesem Monat veröffentlichte die US-basierte Organisation B4U-Act ihr Quartalsreview für den Herbst 2024. Dort werden kürzlich publizierte Forschungsarbeiten vorgestellt und von einem Team aus Wissenschaftler:innen, die sich mit Pädophilie und verwandten Themen beschäftigen, kritisch gewürdigt.
In der diesjährigen Herbstausgabe haben sich die Reviewer des Journals fünf Arbeiten angeschaut, die im April bis August dieses Jahres veröffentlicht wurden. Dazu gehörte auch die allererste Studie, die das romantische Empfinden pädophiler Menschen genauer untersucht hat. Dabei wurde deutlich, dass der romantische Aspekt für die meisten der befragten Männer mindestens genauso wichtig war, wie der sexuelle. Ebenso zeigt sich in den thematischen Analysen der Antworten, dass sich das romantische Empfinden pädophiler Menschen im Kern nicht wesentlich von dem teleiophiler Menschen unterscheidet. Dies ist ein weiteres Argument dafür, dass Pädophilie im Grunde als eine sexuelle Orientierung analog zum Beispiel zur Hetero- und Homosexualität betrachtet werden kann.
In einer der Arbeiten untersuchte Rachel Murphy suizidale Tendenzen pädophiler Menschen durch eine Analyse von über 500 Forenbeiträgen im Selbsthilfeforum VirPed. Sie stellte fest, dass vor allem das Stigma, negative Coming-out-Erfahrungen und Zwangsoutings Risikofaktoren für suizidale Tendenzen sind. Nicht selten wurde das Stigma internalisiert und die Betroffenen hatten selber das Gefühl, aufgrund ihrer Sexualität es nicht wert zu sein, zu leben. Schutzfaktoren dagegen waren vor allem positive Coming-outs, Erfahrungen von Akzeptanz und Unterstützung, und Peer-Support. Therapeutische Hilfe war für Betroffene oft schwer zu bekommen und teils sogar eher schädlich, wenn der Therapeut oder die Therapeutin unempathisch oder negativ auf die Pädophilie der Hilfesuchenden reagiert haben.
Ein eher düsteres Bild von Therapien zeichnen auch die restlichen der reviewten Arbeiten. Chronos et al. fanden in einer großen Metastudie heraus, dass viele pädo- und hebephile Menschen in Therapien negative Erfahrungen machen, mit ethisch fragwürdigen Aversionstherapien behandelt und verurteilt oder nicht verstanden werden. Nur wenige finden die Hilfe, die sie suchen, was meist ein Umgang mit Ängsten und Depressionen und dem gesellschaftlichen Stigma ist. Nematy et al. wiederum führten Interviews mit zehn Therapeut:innen, die mit pädophilen Menschen arbeiten, und fanden dort viele stigmatisierende, widersprüchliche und teils auch gefährliche Ansichten vor. Obwohl die meisten der Therapeut:innen zustimmten, dass Pädophilie nicht änderbar sei, versuchten dennoch einige sexuelle Gedanken auf Erwachsene umzulenken oder zu unterdrücken, was erwiesenermaßen zu Scham- und Schuldgefühlen führen kann und psychisch schädlich ist. Haltungen zu Ersatzmaterialien wie Kindersexpuppen waren gemischt, wobei Ablehnungen größtenteils mit „Slippery Slope“-Argumenten begründet wurden, die sich wissenschaftlich nicht halten lassen. Christophersen und Brotto schließlich untersuchten in einer Metastudie, ob sich über Aufklärung und Intervention die Haltungen von Therapeut:innen zu pädophilen Menschen beeinflussen lassen. Im Ergebnis fanden sie heraus, dass sich Vorurteile und stigmatisierende Haltungen zwar durchaus abbauen ließen, die Bereitschaft, mit pädophilen Menschen tatsächlich zu arbeiten aber nur unwesentlich beeinflusst wurde.
Die Reviewer von B4U-Act lobten die grundsätzlich gute Qualität dieser Arbeiten. An vielen Stellen wurde darauf geachtet, zwischen Pädophilie und Missbrauch zu unterscheiden und eine wertschätzende Sprache zu verwenden, die nicht stigmatisierend ist. Gleichzeitig kritisierten sie an mehreren Arbeiten, dass teils durch den Sprachgebrauch Pädophilie und Missbrauch wieder miteinander vermischt wird, etwa wenn von „pädophilen Risikofaktoren“ die Rede ist. Die meisten Studien nennen außerdem die Missbrauchsprävention als wesentliche Motivation für ihre Forschung, auch, wenn es darum eigentlich überhaupt nicht geht, wie etwa in der Forschungsarbeit zur Suizidalität pädophiler Menschen. Dadurch würden stigmatisierende Vorurteile aufrechterhalten, dass Pädophile grundsätzlich gefährlich seien und am Ende Missbrauch und Pädophilie wieder miteinander vermischt.
Die gesamte Ausgabe ist auf Englisch hier verfügbar: https://www.b4uact.org/b4qr/vol4/autumn2024/.