News vom 01.10.2022

Der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl äußert sich in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Profil“ erstmals zu den Vorwürfen, die der Spiegel in einem Artikel über die Bedingungen am Set seines neusten Films „Sparta“ formuliert hat (wir berichteten darüber). Seidl soll laut Bericht des Spiegels zugelassen haben, dass Kinder in belastende und traumatisierende Situationen gebracht wurden, in denen sie unvorbereitet mit Nacktheit, Gewalt und Alkoholismus konfrontiert wurden. Ebenso wurde angeprangert, dass den Eltern der Kinderschauspieler gegenüber verheimlicht wurde, dass der Protagonist pädophil ist und sich der Film auf diese Art mit dem Thema Pädophilie auseinandersetzt.

Laut Seidl gehen diese Vorwürfe im Wesentlichen auf Missverständnisse und schlechte Kommunikation zurück. Gleichzeitig gibt Seidl allerdings viele der Vorwürfe (wenn auch indirekt) zu: etwa dass alkoholisierte Schauspieler am Set anwesend waren („Wenn ich einen Darsteller besetze, der gewohnheitsmäßig trinkt, wird er das auch während der Dreharbeiten tun“), oder dass Kinder in unangenehme und belastende Situationen gebracht wurden („Das Kind weiß ja immer, dass ihm keine reale, keine echte Gefahr droht.“). Insbesondere bestätigt Seidl, dass ein Kind in einer Szene sich derart unwohl fühlte, dass es anfing zu weinen – eine Szene, die es scheinbar auch in den finalen Film geschafft hat. Die Vorwürfe seitens der Familien wiederum seien nur entstanden, weil das Filmteam es versäumt habe in den letzten drei Jahren den Kontakt zu den Familien zu halten, und der Spiegel unbegründete Ängste und Verunsicherungen während der Interviews gesät habe (diese Anschuldigungen wiederum wurden von den Journalisten des Spiegels in einer kurzen Stellungnahme zurückgewiesen).

Als Reaktion auf die Vorwürfe wurde nach Veröffentlichung des Spiegel-Berichts die Weltpremiere des Films in Toronto abgesagt, ebenso wurde Seidl der Douglas-Sirk-Preis aberkannt. Bei der neuen Weltpremiere in San Sebastián blieb der Regisseur abwesend, bis zu dem Profil-Interview hat er sich zu den Vorwürfen nur in einer kurzen Stellungnahme geäußert. Der Film selber wiederum hat bisher überwiegend positive Rezensionen erhalten, was ganz unabhängig von den Kontroversen um die Produktionsbedingungen für einen Film, dessen Protagonist ein nicht-übergriffiger Pädophiler ist, durchaus bemerkenswert ist.

In Deutschland feiert der Film nächsten Mittwoch auf dem Filmfest Hamburg Premiere. Mitglieder des „Wir sind auch Menschen“-Teams werden bei der Premiere anwesend sein und anschließend über den Film und die Veranstaltung berichten.