News vom 03.02.2024

Im Angesicht massiver Stigmatisierung ist der einzige Schutz, den pädophile Menschen haben, dass ihre Sexualität nicht offen sichtbar ist. Viele Formen von Diskriminierung laufen dadurch gewissermaßen ins Leere: wenn man Pädophile nicht erkennen kann, ist es auch nicht möglich, Pädophile gezielt aus gesellschaftlichen Bereichen auszuschließen.

Es gibt Forscher:innen, die aktiv daran arbeiten, dies zu ändern. In einem kürzlich veröffentlichten Interview in der WELT (Paywall) erzählt Sozial- und Rechtspsychologieprofessor Rainer Banse von Screening-Verfahren, die er mit seinem Team entwickelt hat, um pädophile Menschen auch dann zu erkennen, wenn sie sich nicht selbst zu erkennen geben wollen. Diese Verfahren sollen verwendet werden, um pädophile Menschen gezielt aus Bewerbungsverfahren für Berufe mit Kindern auszusieben.

Banse selbst gibt zu, dass diese Tests signifikante Fehlerraten haben: 25 % der Menschen, die als gefährlich markiert wurden, waren nicht übergriffig, und gleichzeitig ist jeder vierte Mensch, der als unbedenklich eingestuft wurde dennoch übergriffig geworden.

Trotzdem soll es mindestens eine (nicht näher benannte) Organisation geben, die mit Banse zusammenarbeitet, um mit seinen Tests im Bewerbungsprozess vermeintlich pädophile Kandidaten1 auszufiltern. Bewerber, denen aufgrund eines positiven Testergebnisses kein Jobangebot gemacht wird, werden über ihr Testergebnis nicht informiert. Weder Banse noch die WELT-Autorin Nike Heinen äußert dabei ethische Bedenken.

Testverfahren zur Erkennung der sexuellen Orientierung eines Menschen, um ihn damit gezielt aus Berufen auszuschließen, sind eine massive und invasive Form von Diskriminierung. Auch pädophile Menschen sind nicht prädestiniert dazu, Kinder zu missbrauchen, und gleichzeitig sind die meisten Missbrauchstäter:innen nicht pädophil (was Banse selber auch anmerkt). Pädophile Menschen pauschal aus Berufen mit Kindern ausschließen zu wollen ist also nicht nur diskriminierend, sondern würde noch nicht einmal den meisten Kindesmissbrauch stoppen.

Banse selber erklärt in dem Interview, dass Pädophile in der gesellschaftlichen Rangordnung „ganz unten“ stehen. Umso unverständlicher ist es, dass er aktiv an Methoden forscht, die Pädophile noch vulnerabler gegen Diskriminierung und Marginalisierung machen. Es existiert schließlich ein großes öffentliches Interesse daran, pädophile Menschen zu identifizieren, um ihnen gesellschaftliche Partizipation zu verweigern und sie aus sozialen Bereichen auszuschließen – und solche Tests haben das Potenzial, dies tatsächlich realisierbar zu machen.

Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass es bei der Verwendung in Bewerbungsverfahren bleiben wird. Banse diskutiert etwa auch die Anwendung seiner Tests zum Ausschluss von Menschen aus bestimmten ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es ist denkbar, dass Pädophile am Ende aus allen Bereichen ausgeschlossen werden, in denen Kinder präsent sein können – also fast allen. Dadurch werden Pädophile noch mehr marginalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Gleichzeitig steigt die Gefahr für Hasskriminalität und Gewalt gegen Pädophile, wenn diese unfreiwillig identifiziert werden können.

Umso wichtiger ist es, dass sich Forscher:innen dieser Risiken bewusst sind und sie in ihrer Arbeit berücksichtigen.


  1. Banse spricht in dem Interview nur von Männern, bei denen die Tests angewendet werden.