News vom 23.12.2022

Vergangenen Montag stellten Mitarbeitende der Universität Hildesheim einen Zwischenbericht mit dem Titel Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes vor. Die Methoden Kentlers sind in den letzten Jahren immer wieder scharf kritisiert worden, unter anderem da er als Teil eines fragwürdigen Experiments straffällig gewordene Jugendliche an verurteilte Sexualstraftäter vermittelte. Der Zwischenbericht enthält darüber hinaus die anonymisierte Erzählung einer Person, die Kentler selbst sexuellen Übergriffen gegenüber mehreren Jugendlichen beschuldigt, sowie Vermutungen eines übergreifenden Netzwerkes von zahlreichen mit Kentler in Verbindung stehenden Menschen, die Missbrauchsfälle begangen oder gedeckt haben sollen.

Leider benutzt der Bericht dabei eine sehr unpräzise und schwammige Begriffsverwendung, die dazu geeignet sind, die Stigmatisierung gegenüber pädophilen Menschen im Allgemeinen zu befördern.

So werden die Täter etwa durchgängig als pädophile Männer bezeichnet. Richtig ist, dass unmöglich gesagt werden kann, ob die Täter die Kriterien der Pädophilie erfüllen. Die meisten Missbrauchstaten werden nicht von Pädophilen begangen. Hinzu kommt, dass es bei den Straftaten im Kontext des „Kentler-Experiments“ meistens um Jugendliche, und nicht um Kinder ging.

Ebenso häufig ist von pädophilen Positionen die Rede, womit anscheinend Haltungen und Ideologien gemeint sind, die Missbrauch rechtfertigen, bagatellisieren oder vertuschen. Diese Haltungen werden von einem großen Teil der pädophilen Menschen nicht geteilt. Pädophilie ist eine Sexualität und keine Meinung oder Charaktereigenschaft.

An anderen Stellen wird mehrfach die Formulierung Pädophilie legitimierende Positionen verwendet. Auch hier kann nur vermutet werden, was damit gemeint ist, eine Erklärung findet sich in dem Zwischenbericht nicht. Grundsätzlich wird durch den Kontext Pädophilie als etwas fundamental Schlechtes dargestellt. Fakt ist, dass sich niemand aussucht pädophil zu sein und pädophile Menschen genauso eine Existenzberechtigung haben, wie andere auch – und es daher auch nichts zu legitimieren gibt.

Insgesamt wird in dem Zwischenbericht nicht sauber zwischen Pädophilie und Missbrauch getrennt. Zudem zeigt die Wortwahl, dass die Autoren die Tatsache, dass es auch pädophile Menschen gibt, die weder Straftaten begehen noch entsprechende Ideologien verbreiten noch nicht einmal in Betracht ziehen.

Diese unpräzise Verwischung von Begriffen ist gerade für ein Forschungsprojekt, das Aufarbeitung als Ziel hat, enttäuschend. Nicht zuletzt werden die gewählten Formulierungen auch in Medienberichten zu dem Thema übernommen und durch die wissenschaftliche Verwendung legitimiert, womit die Gleichstellung von Pädophilie und Missbrauch in der Gesellschaft weiter befördert wird.

Der Zwischenbericht kann im Original hier eingesehen werden.