News vom 19.02.2024

Vergangenen Dienstag lief im RTL-Magazin EXTRA eine Reportage mit dem reißerischen Titel „Wie Pädophile Kinderbilder im Netz missbrauchen“. Aufmacher der Reportage war die Beobachtung, dass Kinderbilder, die ursprünglich beispielsweise auf Vereinswebseiten hochgeladen wurden, in einem russischen Bilderforum wiedergefunden werden konnten, wo sie von (vermeintlich) pädophilen Menschen anzüglich kommentiert werden.

Leider hat es RTL nicht geschafft, an das Thema mit dem notwendigen Feingefühl heranzugehen. Stattdessen verfällt die Reportage sehr schnell in eine einseitige emotionalisierte Hetze gegen pädophile Menschen, die, untermalt von bedrohlicher Musik, als widerlich und gefährlich dargestellt werden. Teil der Reportage ist etwa ein „Seminar“ einer Gruppe pädophiler Männer, in die sich ein RTL-Reporter undercover eingeschleust hat. Über die Hintergründe und Ziele dieses Seminars bleibt das meiste allerdings im Unklaren, stattdessen werden einzelne kurze Szenen eines Gedächtnisprotokolls von Schauspielern nachgespielt. Die Szenen werden von der Kamera in extremen Close-ups filmt, um gezielt Abscheu und Ekelgefühle zu wecken.

Besonders kritisch zu bewerten ist außerdem der Umgang mit Georg von Schicksal und Herausforderung e. V., der dem Sender für den Beitrag ein Interview gegeben hat. Aus dem mehrstündigen Interview wurden für die Reportage lediglich wenige kurze Passagen verwendet, die sich vor allem mit seinen weit in der Vergangenheit liegenden Straftaten und konkreten Fragen zu seinen Präferenzen beschäftigten. Auch hier wurden letztere vor allem so inszeniert, dass sie emotionale Abwehrreaktionen provozieren. Gleichzeitig wird weder sein Engagement für die Selbsthilfe erwähnt, noch findet seine Meinung zum eigentlichen Thema der Reportage Platz. Seine Rolle innerhalb des Beitrags ist damit nicht die eines Experten auf Augenhöhe, stattdessen wird er bloßgestellt und seine Expertise durch gezielte Schnitte explizit ausgelöscht. RTL erstellt damit ein Paradebeispiel dafür, wie man für Medienbeiträge nicht mit Pädophilen umgehen sollte.

Auch davon abgesehen gibt es einige Punkte, die wir an der Reportage scharf kritisieren. So werden etwa pädophile Menschen, die sich legale Kinderbilder im Internet ansehen, pauschal als „Täter“ bezeichnet, die Bilder „missbrauchen“. Dies stellt Pädophile, die sich völlig legal verhalten, sprachlich und moralisch auf eine Stufe mit aktiven Missbrauchstätern. Zudem wird zum Schluss fast schon beiläufig ein strafrechtliches Verbot des Äußerns sexueller Fantasien für Pädophile gefordert. Dies wäre ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit pädophiler Menschen und ein großer Schritt in Richtung Gedankenverbrechen. Sexuelle Fantasien müssen – auch für Pädophile – vor strafrechtlicher Verfolgung unbedingt geschützt bleiben. Zudem ergibt sich die Notwendigkeit eines solchen Verbots noch nicht einmal aus der Reportage selber, da alle Bilder, die unrechtmäßig weiterverbreitet worden waren auch ohne weitere Verbote erfolgreich von der Bilderplattform entfernt werden konnten.

Dies ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass RTL einen problematischen Beitrag zu dem Themenbereich veröffentlicht, und bei Pädophilen Unschuldsvermutung und Persönlichkeitsrechte missachtet. Schon 2010 erschien auf dem Tochtersender RTL II die kontroverse Serie „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder!“, in welcher der Sender zusammen mit der umstrittenen Kinderschutzorganisation Innocence in Danger, die auch in der aktuellen Reportage medienwirksam platziert wird, Männer in die Falle lockte, die sexuelle Kontakte zu Minderjährigen suchten. Dabei wurde immer wieder der bedrohlichen wirkende Merksatz „Pädophile lauern überall“ in die Köpfe der Zuschauer gehämmert. Die Sendung wurde unter anderem von der damaligen Justizministerin scharf kritisiert, die dadurch sogar den Rechtsstaat gefährdet sah. 2014 wiederum infiltrierte RTL ein weiteres Treffen einer Pädophilengruppe, und übergab sie ohne konkrete Hinweise auf illegales Verhalten in einer medialen Großaktion der Polizei. Die Teilnehmer wurden wahlweise als Missbrauchstäter oder „Kinderporno-Ring“ bezeichnet – dass schon vor Veröffentlichung des Beitrags sämtliche Ermittlungen von der Polizei eingestellt wurden, ist gezielt verschwiegen worden. Und 2018 hat RTL im Mittagsmagazin Punkt 12 auf unverantwortliche Weise einen vermeintlich pädophilen Menschen gezeigt, was zur lebensgefährlichen Verletzung eines unbeteiligten Mannes durch einen Lynchmob führte.

Der aktuelle Beitrag ist also der neuste Eintrag in einer langen Liste von unethischen und journalistisch fragwürdigen Beiträgen des Senders, die sich mit dem Thema Pädophilie direkt oder indirekt beschäftigen.